Das Kinojahr 2016 war ein gutes, aber kein exzellentes. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass die Hauptfavoriten für die Oscars 2017 bei uns fast ausnahmslos noch nicht in den Kinos gestartet sind. Dabei spreche ich von La La Land, Manchester By The Sea, Hacksaw Ridge, Fences, Moonlight, Lion und Nocturnal Animals, welche bereits einen Großteil der Nominierungen für die Globes erhalten haben und daher (nicht nur) laut Goldderby auch als Favoriten für die Academy Awards gelten.
Dennoch küre ich bereits zum vierten Mal knapp vor Jahresende meinen persönlichen Film des Jahres. Einziges Kriterium dabei, dass ich ihn im jeweiligen Jahr (zum ersten Mal) gesehen haben muss. Die bisherigen „Sieger“ lauten wie folgt:
2015: Inside Out (8.2 IMDb-Score / 94 Metascore)
2014: Whiplash (8.5 / 88)
2013: Drive (7.8 / 78)
Nachfolgend finden sich ein deutschsprachiger Film, ein Animationsfilm und gleich mehrere Filme, welche dem Independent Kino zuzuordnen sind. Enttäuscht war ich heuer vor allem von den Blockbustern, da weder X-Men Apocalypse noch Batman vs. Superman und für meinen Geschmack auch Captain America: Civil War nicht besonders überzeugt haben. Ebenso enttäuscht hat mich die Verfilmung von „The Girl On The Train“ nach einem Roman von Paula Hawkins, welcher für mich ähnliches theoretisches Potential wie „Gone Girl“ hatte. Ich habe die populären „Dr. Strange“ und „Star Wars: Rogue One“ bis dato nicht gesehen, daher finden diese Filme ebenfalls keinen Platz auf der nun nachfolgenden Liste.
10. Florence Foster Jenkins (Stephen Frears – 7.0 / 71)
Stephen Frears („The Queen“) erzählt die wahre Geschichte einer schwerkranken New Yorker Grand Dame und Society Lady aus der Nachkriegszeit, welche nichts lieber macht als die Oper zu singen. Das Problem dabei: sie kann nicht singen. Meryl Streep überzeugt durch eine schreckliche Stimme (was in diesem Fall ein Kompliment ist) und wird dabei von Hugh Grant (als Ehemann, der die Realität so fern wie möglich hält) und Simon Helberg (der Howie aus Big Bang Theory, der einen schüchterner Pianist mimt) famos unterstützt. Für den Golden Globe wurden bereits alle drei nominiert und Streep kann (sarkastisch formuliert) ihre Serie als Rekordverliererin bei den Oscars (aktuell 3/19) weiter ausbauen.
9. Toni Erdmann (Maren Ade – 8.1 / 96)

Der geborene Grazer Peter Simonischek glänzt in diesem berührenden Familiendrama als pensionierter Musiklehrer, der den Kontakt zu seiner Tochter wieder intensivieren will, welche als CEO einer Consulting Firma unter Dauerstress steht. Mit Streichen und Späßen bringt er seine Tochter dabei reihenweise aus der Fassung. Der Film wurde bereits für einen Golden Globe nominiert und gilt auch als haushoher Favorit für den Auslandsoscar, welcher in diesem Fall leider nach Deutschland und nicht nach Österreich gehen würde – der Film an sich ist eine Co-Produktion beider Länder. Einziger Kritikpunkt: für meinen Geschmack war das 162-minütige Werk von Maren Ade um 30-40 Minuten zu lange, ist aber dennoch ein absolutes Must-See des abgelaufenen Kinojahres.
8. The Hateful Eight (Quentin Tarantino – 7.9 / 68)
Der achte (und damit nach eigener Aussage drittletzte) Film von Quentin Tarantino war sicherlich nicht eines seiner besten Werke. Auch hier sind die Längen (168 Minuten) zu kritisieren, da gerade im ersten Teil (vor der 15-minütigen Pause) so gut wie gar nichts passiert und die langatmigen Dialoge beinahe schon nerven. Doch aufgrund der epischen Kameraführung von Robert Richardson und der Wendungen (inkl. Gewaltexzesse in bester Tarantino-Manier) in der zweiten Hälfte hat der Film dennoch seinen Weg auf diese Liste gefunden. Ich bin übrigens bis heute nicht das Gefühl losgeworden, dass für die Rolle von Tim Roth ursprünglich Christoph Waltz eingeplant gewesen war.
7. 10 Cloverfield Lane (Dan Trachtenberg – 7.3 / 76)
Das inoffizielle Sequel zu Cloverfield ist ein Horrorthriller, welcher wie ein Kammerspiel inszeniert ist und mit den Köpfen der Zuschauer spielt. Eine junge Frau (gespielt von Mary-Elizabeth Winstead) wacht nach einem Autounfall im Haus eines zunächst freundlich wirkenden Mannes (John Goodman) auf. Dort wird ihr die Realität präsentiert, dass sie aufgrund eines atomaren/chemischen Angriffs (von Außerirdischen?) das Haus nicht mehr verlassen könne. Ein anderer dort lebender Mann (John Gallagher Jr.) stellt ihn jedoch als paranoid bzw. verrückt hin und so kommen beiden immer mehr Zweifel an dieser Theorie auf. Der Streifen lebt von drei exzellenten Schauspielern, der beklemmenden Atmosphäre im Bunker und dem Nichtvorhandensein von Informationen über die tatsächliche Situation da-draußen. Auch am Ende bleiben viele Fragen offen.
6. The Nice Guys (Shane Black – 7.4 / 70)

Dieser Film hat mich heuer fast am meisten (bzw. positivsten) überrascht. Shane Black (Kiss Kiss, Bang Bang & Iron Man 3) lässt Russell Crowe (als „Enforcer“) und Ryan Gosling (als Privatdetektiv) als ungleiches Buddy-Team (welches auch Goslings Teenager-Tochter inkludiert) wider Willen im Los Angeles der 70er-Jahre eine Verschwörung im Porno-Milieu aufdecken. Die Actionkomödie überzeugt neben der Crowe-Gosling-Partnerschaft auch durch die Dialoge (und 70er-Jahre-Referenzen) und die (überraschend) harten Actionsequenzen. Der Soundtrack umfasst u.a. Kool & The Gang, Earth, Wind & Fire, die Bee Gees und KISS und rundet das 70er-Jahre-Setting ab.
5. Room (Lenny Abrahamson – 8.2 / 88)
Einer der albtraumhaftesten Filme des Jahres. Oscar-Preisträgerin (Anm. eben dafür) Brie Larson und der bei den Dreharbeiten 8-jährige Jacob Tremblay (dem ein Haley-Joel-Osment-Schicksal hoffentlich erspart bleibt) glänzen als Mutter-Sohn-Gespann, welche miteinander auf engstem Raum leben müssen. Denn der Vater hat die Protagonistin vor Jahren entführt und seither eingesperrt (und auch das Kind gezeugt, welches von der Mutter trotzdem über alles geliebt wird). Als Österreicher muss man dabei unweigerlich an die Fälle Priklopil oder Fritzl denken, was das beklemmende Szenario noch zusätzlich verstärkt. Wie der Film ausgeht oder wohin er sich entwickelt, sei an dieser Stelle nicht erwähnt. Aber am Ende steht nichts über der Liebe einer Mutter zu ihrem Kind.
4. Hell Or High Water (David Mackenzie – 7.8 / 88)
Der Neo-Western aus der Feder von David Sheridan (nominiert für einen Golden Globe) handelt von zwei ungleichen Brüdern (dargestellt von Ben Foster und Chris Pine), welche durch Texas reisen und Banken überfallen, um Geld für die hoch verschuldete Farm der Eltern sammeln zu können, um diese vor einer Zwangsversteigerung zu retten. Ihre Antagonisten sind dabei zwei Texas-Ranger (Jeff Bridges und Alberto Parker), welche dem Muster der scheinbar zufälligen Überfälle auf die Schliche kommen. „Hell Or High Water“ lebt nicht von seinen Actionsequenzen oder einer Story mit vielen Wendungen, sondern von den bestens entwickelten Charakteren und der Kameraführung von Giles Nuttgens im ruralen Texas. Neben dem Drehbuch wurden übrigens auch Jeff Bridges (als Nebendarsteller) und der Film (als bestes Drama) von der HFPA nominiert.
3. Zootopia (Byron Howard – 8.1 / 78)

Wie im letzten Jahr findet sich auch heuer ein Animationsfilm unter meinen Top3 des Jahres. Zootopia (bei uns dämlicherweise als „Zoomania“gelaufen) entstammt ausnahmsweise nicht der Feder von Pixar sondern aus den Walt Disney Animation Studios. Protagonistin ist der Kaninchen-Teenager Judy Hopps, welche nicht wie ihre Eltern und Geschwister auf der ländlichen Farm arbeiten will, sondern gegen jede Wahrscheinlichkeit und viel Widerstand eine Karriere als Polizistin in der großen Stadt anstrebt und dort in eine Verschwörung von riesigen Ausmaßen gerät. Das antropomorphische Setting in dem Jäger und Sammler friedlich Seite an Seite leben überzeugt durch viele liebevolle Details. Mein persönliches Highlight sind dabei die Faultiere, welche ihren Dienst als Schalterarbeiter auf der Behörde verrichten. Auch die Message des Filmes sei hier nicht unerwähnt: Gib nie auf – du kannst alles schaffen, wenn du es nur willst.
2. Captain Fantastic (Matt Ross – 8.0 / 72)

Auch hier schreckt der deutsche Untertitel „Einmal Wildnis und zurück“ ziemlich ab. Manchmal frage ich mich, ob Filmverleihe ihren Filmen bewusst schaden wollen. Wie auch immer, Viggo Mortensen spielt hier einen Aussteiger, welcher seine sechs Kinder in den unbewohnten Wäldern von Minnesota ohne jegliche moderne Technologie (z.B. Strom, fließendes Wasser, Internet) unter einem rigorosen geistigen und körperlichen Regime aufzieht. „Corporate America“ ist der Feind und daher steht Selbstversorgung an der Tagesordnung. Durch einen tragischen Zwischenfall (die Mutter leidet an einer bipolaren Störung und ist seit unbestimmter Zeit einer psychiatrischen Anstalt untergebracht) muss die Familie im ausrangierten Schulbus auf eine Reise quer durch die USA aufbrechen und wird dabei mit dem vorherrschenden Materialismus der Gesellschaft konfrontiert. Dieser Film regt zum Denken an und wirft u.a. die Frage auf, wie verdummt die Gesellschaft in der heutigen Zeit bereits ist und wie scheinheilig Menschen ihre Tage durchleben. Mortensen darf nach Eastern Promises wohl auch (zurecht) mit seiner zweiten Oscarnominierung rechnen.
1. Arrival (Denis Villeneuve – 8.3 / 81)

Mein heuriger Film des Jahres ist ein Sci-Fi-Drama. Amy Adams und Jeremy Renner spielen darin eine Sprachexpertin und einen Wissenschaftler, welche vom CIA beauftragt werden, die Zeichen(-sprache) von zehnfach auf der Erde verteilt gelandeten Außerirdischen zu entschlüsseln um den Zweck deren Erdbesuchs herauszufinden. Jegliche weitere Zusammenfassung (und auch Analyse oder Resümee) des Inhalts würde einen Spoiler darstellen. Das vierte Kinowerk (nach Enemy, Prisoners und Sicario) des 49-jährigen Villeneuve aus Quebec schafft es dabei – auch aufgrund des sensationellen Soundtracks von Johann Johannsson (Anm. welcher auch Tracks von Max Richter inkludiert und deswegen nicht für einen Oscar nominiert werden kann) – die Spannung und Emotionen über die gesamte Laufzeit von 117 Minuten hoch zu halten, wobei bereits nach den ersten fünf Filmminuten tiefste Depression das vorherrschende Gefühl ist. Dieser Film hat mich zum nachdenken angeregt, ähnlich erging es wohl allen anderen Kinobesuchern in „meinem“ Saal, denn bei Beginn des Abspanns war kein einziges Wort zu hören – ein seltsames und auch seltenes Erlebnis, welches Arrival als meinen Film des Jahres 2016 qualifiziert.
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