Nicht nur ich selber bin letztes Jahr umgezogen – meine Website hat es mir im April 2018 nachgemacht. Diese findet ihr seither unter emprechtinger.com – irgendwann in naher Zukunft werde ich es auch hoffentlich schaffen, die Beiträge von hier zu migrieren. Dann werdet ihr diesen Beitrag auch nicht mehr lesen (können).
Autor: themanwho83
Das Ende der Ära Lassaad Chabbi in Ried
Am heutigen Ostermontag, knapp vor 11:00 wurde aus der Pressestelle der SV Ried das Unvermeidliche vermeldet. Aus gegebenem Anlass habe ich mich nun doch dazu entschlossen, wieder einige Gedanken zu Papier zu bringen.
Die 0-1 Niederlage in Hartberg am Karfreitag stellte den nächsten Tiefpunkt in einer Reihe von unendlichen Tiefpunkten dar. Zuletzt blieb man acht Mal en suite (das Cupspiel in Hütteldorf mitgerechnet) sieglos. Der Meistertitel ist längst passé, zehn Punkte Rückstand sind zu diesem Zeitpunkt der Saison auf Wacker Innsbruck nicht mehr aufholbar. Nur aufgrund der Schwächephasen anderer Aufstiegskonkurrenten (vor allem Wiener Neustadt, die sich am Freitag zu einem 2:2 gegen Wattens mühten) ist die SVR nach fünf von 21 möglichen Punkten im dritten Saisonviertel überhaupt noch im Kampf um den direkten Aufstiegsplatz.
Und diese Tabelle des 3. Saisonviertels, welche schon vor drei Wochen ein äußerst tristes Bild abgab, wurde mittlerweile zu einem Albtraum für jeden Fußballfan im Innviertel.
Nur aufgrund des Torverhältnisses liegt man in dieser Momentaufnahme noch vor den lahmen Falken aus Kapfenberg. Auf Wacker Innsbruck wurden schier unglaubliche 14 Punkte verloren, jeweils fünf auf Wiener Neustadt und Hartberg. Und kurioserweise könnte selbst Austria Lustenau mit einem starken Frühling noch ins Schneckenrennen um den Relegationsplatz noch eingreifen.
Trainerwechsel richtig – aber zu spät
Das Präsidium hätte schon vor zweieinhalb Wochen, nach dem 1:3 gegen Wacker Innsbruck, eingreifen müssen. Schon zu diesem Zeitpunkt war für alle klar ersichtlich, dass diese Mannschaft auf dem Boden liegt. Jegliches Selbstvertrauen und auch jegliches Selbstverständnis aus dem Herbst war vollständig verloren gegangen. Nach dem Doppelschlag der Tiroler lief jeder Spieler mit hängendem Kopf über das Spielfeld, Selbstzweifel und „Warum schon wieder wir“-Gedanken überwogen wohl alle anderen Gefühle. Noch nie war Körpersprache so laut wie in diesem Moment. Die Mannschaft hat nach einem Impuls gelechzt, der allerdings ausblieb.
Der Zeitpunkt für einen Trainerwechsel wäre damals richtig gewesen. Ein neuer Trainer hätte zwei Wochen ununterbrochene Vorbereitung gehabt und somit in dieser Zeit Einzelgespräche mit allen Spielern führen können. Aus verschiedenen Quellen war übrigens immer wieder der Name Didi Kühbauer zu hören, der allerdings gestern beim möglichen Relegationsgegner aus St. Pölten unterschrieben einen Vertrag bis Saisonende unterschrieben hat.
Doch in der Führungsriege der SVR entschloss man sich nach Krisengesprächen zu einem „reinigenden Gewitter“, welches seine Konsequenz in einigen Alibiaktionen beim Spiel gegen Hartberg hatte. Das System wurde von einem 4-4-2 auf ein 4-2-3-1 umgestellt. Dies wurde von mir an dieser Stelle noch vor einigen Wochen gefordert bzw. vorgeschlagen – dagegen habe ich demnach auch nichts einzuwenden. Doch manche personelle Entscheidungen konnte man von außen schlichtweg nicht nachvollziehen.
Christian Schilling (seit Monaten ohne jegliche Spielpraxis) ersetzte Ronny Marcos, Kennedy Boateng (in der 1. Halbzeit) und Peter Haring (in der 2. Halbzeit) rückten ins defensive Mittelfeld vor, vor allem wahrscheinlich um die robusten Hartberger körperlich und bei Standards etwas mehr zu fordern. Konsequenz war allerdings ein spielerisches Loch zwischen Defensive und Offensive, welches von Marcel Ziegl nicht gestopft werden konnte. Die box-to-box Fähigkeiten von Lukas Grgic oder Pius Grabher wurden schmerzlich vermisst. Und auf den Seiten ist die Antiform von Ilkay Durmus und Clemens Walch weiterhin ein Riesenproblem. Dass Seifedin Chabbi (der eine Chance vergab, welche er im Herbst noch blind verwandelt hätte) und Thomas Fröschl seit November ohne Torerfolg sind, wurde im Laufe der vergangenen Wochen schon mehrfach erwähnt.
Kein Händchen bei Transfers
Die so genannten Verstärkungen aus der Winterpause können auch nichts bewirken. Denn hier wurde im Nachhinein gesehen alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Philipp Prosenik passt vom Spielertyp her überhaupt nicht in diese Mannschaft. Auch wenn man in der Winterpause mit einem Abgang von Seifedin Chabbi rechnete (der mittlerweile wohl wieder 50% seines Marktwerts verloren hat), so war Prosenik nicht die logische Lösung für dieses Problem. Mit Ausnahme seiner Topchance gegen Rapid kann ich mich in seinen mickrigen 119 Einsatzminuten in der Liga an keine einzige vernünftige Aktion erinnern. In diesen fünf Spielen holte die SVR dann übrigens auch 0.40 Punkte pro Spiel.
Flavio Dos Santos sitzt nach wie vor auf den Kapverden fest, mehr als vier Monate nach seiner Verpflichtung aus Floridsdorf. Man hört immer wieder etwas von Passproblemen, doch hat die SVR bis heute kein einziges offizielles Statement abgegeben, was genau das Problem ist und wie man versucht dies zu lösen. Auf diese Weise entstehen Gerüchte. In Sachen Kommunikation besteht hier massiver Aufholbedarf.
Nachdem man für diesen Spieler Ablöse bezahlt hat, fehlt dieses Geld zum aktuellen Zeitpunkt an anderer Stelle – wie etwa beim Gehalt für einen möglichen neuen Trainer. Der dritte Neuzugang, Constantin Reiner, wurde von Lassaad Chabbi ohne Mühe und Not gleich im ersten Spiel gegen den FAC von Beginn an eingesetzt, obwohl die Achse Boateng-Haring im Herbst letztendlich nicht so schlecht funktioniert hatte. Nach seinem Fehler, der zum 1-1 führte, wurde der junge Salzburger jedoch nie wieder eingesetzt und musste zuletzt sogar bei den Ried Amateuren (ich weigere mich dagegen, jemals „Junge Wikinger“ zu schreiben) in der 4. Liga spielen.
Franz Schiemer übernimmt
Wer auch immer die vorher erwähnten Transfers entschieden und abgesegnet hat – ab sofort gibt es für Franz Schiemer keinerlei Ausreden mehr. Indem er die Mannschaft (zumindest temporär) selber übernimmt, nimmt er nun den gesamten Druck (der Fans, der Sponsoren, des Vorstands, der Mitglieder, der Medien, der Öffentlichkeit) auf sich.
Und trotzdem war es völlig richtig, dass ein Akzent gesetzt wurde, obwohl noch kein neuer Trainer präsentiert werden konnte. Sollten die Spiele gegen Wattens und Kapfenberg positiv verlaufen, kann ich mir ohne weiteres vorstellen, dass Schiemer auch bis zum Saisonende am Ruder bleiben wird. Dies hat natürlich auch finanzielle Aspekte. Lassaad Chabbi unterschrieb am 1. März 2017 einen Vertrag bis Juni 2019, dies bedeutet demnach, dass man sein Gehalt noch eineinhalb Jahre weiterzahlen muss.
Nun kann Franz Schiemer bei der Realisierung seines Wunschfußballs auch niemand mehr dazwischenreden. Leichte atmosphärische Störungen mit seinem Trainer (wie bei der Auftakt-PK der sky Go Erste Liga, als Chabbi Schiemer mehr oder weniger als unerfahren bezeichnete) gab es bereits zu Beginn der Frühjahrssaison.
Formabfall der Spieler
Der Fokus liegt nun also deutlich auf dem Trainer und Sportdirektor in Personalunion. Was im Bezug auf die Mannschaft auch hilfreich sein könnte. Denn nüchtern betrachtet war schon im November spielerisch nicht mehr alles Gold, was glänzte. Die Spielweise der Mannschaft entwickelte sich im Spätherbst nämlich nicht mehr weiter – im Gegenteil sogar, das Spiel wurde stets unzusammenhängender und immer weniger anschaulich.
Was auch daran lag, dass wichtige Leistungsträger ihre Form verloren hatten und enge Spiele weniger oft durch Einzelaktionen der Spieler mit individueller Klasse entschieden wurden. Wirft man einen genauen Blick zurück auf die Spiele im Herbst, dann war das letzte Spiel, welches aus objektiver Sicht sowohl spielerisch als auch vom Ergebnis her überzeugend gewonnen wurde, am 29. September 2017 gegen Liefering (6-1) – also vor einem halben Jahr.
Was danach folge war ein mühevoller Sieg im Derby, ein aufgrund später Gegentore noch knappes 2-1 in Wattens sowie ein glanzloses 2-0 gegen Kapfenberg. Die anderen neun Spiele in diesem Zeitraum wurden nicht gewonnen. Hatte man sich vor dem Match gegen Wacker noch die Statistik schön zurecht gelegt, dass man von den letzten 14 Spielen nur eines verloren hatte, so hätte man diese Statistik zum gleichen Zeitpunkt auch andersherum interpretieren können: denn nur zwei von neun Spielen wurden gewonnen, was für den selbsternannten Aufstiegskandidaten #1 viel zu wenig ist.
Warum aber verloren so viele Leistungsträger ihre Form? Dies kann ich von außen schwer beurteilen. Mit Ausnahme von Julian Wießmeier (der im Frühjahr so richtig aufblüht) und Manuel Kerhe scheint im Frühjahr jeder andere Spieler seine Normalform verloren zu haben. Während der Leistungsabfall bei einigen Spielern (u.a. Ronny Marcos, Ilkay Durmus, Lukas Grgic) eklatant ist, so hat die Integration von Langzeitverletzten (Thomas Reifeltshammer, Marcel Ziegl, Clemens Walch) die Stabilität der Mannschaft vielleicht mehr negativ beeinflusst als den Konkurrenzkampf um die Stammplätze positiv zu beleben.
Fußball ist Kopfsache
Zählt man Langzeitverletzte und Neuzugänge zusammen, dann mussten im Winter im Grunde sechs neue Spieler in die Mannschaft integriert werden. Der Abgang von Marko Stankovic als Führungsspieler scheint ebenfalls schwerer ins Gewicht gefallen zu sein, als dies von vielen Beobachtern vielleicht im Vorhinein vermutet wurde.
Doch vor allem die psychische Komponente – hier knüpfe ich an das Cupspiel gegen Rapid an – ist wohl der größte Faktor der aktuellen Verunsicherung. In diesem Spiel war man zum ersten und einzigen Mal im Frühjahr (krasser) Außenseiter. Und dennoch war es die mit Abstand beste Leistung im Frühjahr. Diese Rolle scheint der Mannschaft mehr zu liegen als jene des Topfavoriten, der ständig Zählbares liefern muss. Wer das bemerkenswerte Interview mit Per Mertesacker gelesen hat, der weiß, mit welchem Druck moderne Fußballspieler klar kommen müssen. Auch wenn sich die SV Ried sportlich und medial gesehen mehrere Stufen unter Arsenal und der deutschen Nationalmannschaft bewegt, so ist die mentale Komponente im Bezug auf die Leistungsfähigkeit eines Profifußballers für mich doch klar nachvollziehbar.
Jeder fußballinteressierte Mensch in der Region erwartet sich den Aufstieg. Es ist keine Option, heuer nicht aufzusteigen. Dazu wurde zu viel in die Mannschaft und das Umfeld investiert. Angeblich so viel, dass man sich bei einem Nichtaufstieg kein weiteres Jahr im Profifußball leisten könne (auch hierzu hat man noch nie ein klares Statement aus der SVR-Führungsebene gehört). Dieser Druck des „Aufsteigenmüssens“ wiegt in der aktuellen Situation natürlich eine Zentnerlast. Jeder postwendende Ausgleich, jeder verursachte Elfmeter und jeder nicht gegebene Elfmeter steigern die vorherrschende Verzweiflung noch weiter.
Das Vermächtnis von Lassaad Chabbi in Ried
Und genau in dieser Drucksituation ist Lassaad Chabbi einfach nicht (mehr) der richtige Trainer für diese Mannschaft gewesen. Dies beruht natürlich auf Beobachtungen von außen, aber Chabbi ist kein Trainerpädagoge wie früher Roitinger, Hochhauser, Kraft oder auch Gludovatz, unter denen wir unsere größten Erfolge feierten. Ein Trainer, der durch Menschenführung und Empathie gegenüber den Spielern punktet. Einer, der einen niedergeschlagenen Spieler wie z.B. Ilkay Durmus in den Arm nimmt und ihm seine existierenden Stärken vor Augen führt. Liege ich damit falsch, dann lasse ich mich gerne eines Besseren belehren.
Doch abschließend will ich mich noch kurz um das Trainer-Vermächtnis von Lassaad Chabbi in Ried kümmern. Man wird sich in einigen Jahren eventuell an viele Tore im Herbst erinnern. Auch der Titel des Herbstmeisters sowie des Winterkönigs stehen zu Buche. Vor allem aber wird man sich an den überzeugenenden 4-1 Derbysieg im ÖFB Pokal gegen den LASK erinnern, weil dieser zumindest temporär Balsam auf die geschundenen Abstiegswunden war.

Mit dem direkten Wiederaufstieg hätte Chabbi seine Amtszeit in Ried (vorerst) krönen können, vergessen wäre auf diese Weise der Abstieg der Vorsaison gewesen. Er hätte sich neben Klaus Roitinger und Heinz Hochhauser in die prominente Riege der Rieder Aufstiegstrainer reihen können. Doch nun reiht er sich traurigerweise nur neben ersterem in die Riege der Rieder Abstiegstrainer ein. Unser Jahrhundertrainer hatte bekannterweise in der Saison 2002/2003 harakiri-mäßig für die letzten drei Saisonspiele von Gerhard Schweitzer übernommen.
Außerdem wird man Lassaad Chabbi im Innviertel auch für seine Interviews im Gedächtnis behalten, weil diese leider öfters nichtssagend waren oder sogar zum Kopfschütteln geführt haben. Beispiele gefällig? Man kann als SVR-Trainer vor einem OÖ-Derby gegen BW Linz nicht davon sprechen, dass das Derby ein Spiel wie jedes andere ist. Ob man sich das insgeheim denkt oder nicht, ist eine völlig andere Sache.
Man kann sich nach einem Grottenkick wie gegen den FAC daheim oder BW Linz auswärts nicht dem Interview von sky stellen und dort behaupten, dass man gut gespielt habe. Dies entspricht einfach nicht der Realität. Ich habe niemals eine Mannschaft trainiert und besitze schon gar keine UEFA Pro-Lizenz. Daher beurteile ich Spiele nach anderen Kriterien. Und wenn ich als Fan den Heimweg mehrmals wutentbrannt und/oder fassungslos antreten muss, dann sind meine Ansprüche entweder zu hoch, oder ich interpretiere das Gesehene einfach nur objektiven Kriterien zufolge: Anzahl der Torchancen, Passgenauigkeit und Spielwitz – alles das war im Frühjahr nicht vorhanden (bzw. wiederum mit Ausnahme des Spiels gegen Rapid).
Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass Lassaad Chabbi in Ried erfolgreich ist. Nach den vielen Trainernieten der letzten Jahre (von Fuchsbichler und Kolvidsson über O.G. bis hin zu Benbennek) wäre es eigentlich an der Zeit gewesen, nicht mehr ständig an Paul Gludovatz und seine Erfolge denken zu müssen. Der Burgenländer wäre jetzt übrigens genau der richtige Mann für diese kurzfristige Aufgabe. Was aber leider unter Schiemer und Daxl niemals passieren wird.
Nur noch elf Spiele bis zum Supergau?
Noch bleiben elf Spieltage um den totalen sportlichen Supergau zu vermeiden. Ohne ein positives Erlebnis im Ausmaß eines Sieges – und dieser MUSS morgen gegen Wattens passieren – wird diese Mannschaft vermutlich nie wieder aus ihrem mentalen Loch herauskommen – für diese Formulierung dieser Aussage muss man kein Psychologe sein. Der Kredit der Fans ist aufgebraucht, die Stehsätze der letzten Wochen haben einmal zu oft am Nervenkostüm gezerrt. Mit Chabbi hat man nun das schwächste Glied der Kette ausgetauscht. Sollte diese Entscheidung zu keiner Besserung führen, dann werde ich mich in einem meiner nächsten Einträge relativ sicher um die sportlichen Entscheidungsträger kümmern müssen. Doch mehr dazu, wenn die Zeit reif ist.
Und täglich grüßt das SVR-Murmeltier
Freitag, 22:20. Die 1-3 Heimniederlage gegen Wacker Innsbruck ist besiegelt. Die Mannschaft wird von den (verbleibenden) großteils wütenden Fans auf der Westtribüne ziemlich unfreundlich weggeschickt. Vor der Einfahrt zum VIP-Parkplatz kommt es (unter erheblicher Polizeipräsenz) zum Diskurs zwischen verärgerten Fans und später auch einzelnen Spielern sowie Manager Schiemer.

Sieben Punkte Rückstand auf Wacker Innsbruck und der Rückfall auf den 4. Tabellenplatz machen aus der Ergebniskrise eine veritable Vereinskrise. Die unschöne Tabelle aus dem 3. Saisonviertel ist seit Freitagabend nochmals um ein Stück grauenhafter geworden.

Derzeit belegt man nur aufgrund der Sonderstellung (man kann es auch Sinnlosigkeit nennen) von Liefering noch den Relegationsplatz. Doch auch dieser könnte in zwei Wochen bei einer Niederlage in Hartberg (eine Mannschaft, gegen die man heuer noch sieglos ist) bereits Geschichte sein.
Kein Sieg während der letzten sechs Runden. Sieglos seit sieben Pflichtspielen. Ein negatives Torverhältnis und die drittwenigsten erzielten Tore. In diesem Zeitraum elf Punkte auf Wacker, vier Punkte auf Wiener Neustadt und auch zwei Punkte auf Hartberg verloren. Das ist für den selbsternannten Titelfavoriten einfach nur unwürdig. Durchhalteparolen (wie bereits letzte Saison) sind daher aktuell fehl am Platz. Eine knallharte Analyse der Ist-Situation sollte schon seit Wochen passiert sein.
Nach außen hin kann man dies jedoch nicht feststellen. Daher war es besonders konfus, als sich der Trainer nach dem Spiel gegen BW Linz den Interviewfragen von sky gestellt hat und von einem guten Spiel der Mannschaft gesprochen hat. Pardon my french, aber das ist blanke Realitätsverweigerung. Offenbar traut man dem gemeinen Fußballfan nicht zu, Spiele realistisch bewerten zu können. Denn auf gut innviertlerisch ist das ein totaler Hundskick, was die Jungs in schwarz-grün seit Wochen (bzw. eigentlich Monaten) aufführen.
Waren in der zweiten Halbzeit gegen Liefering sowie in der ersten Halbzeit gegen BW Linz noch Ansätze von Fußball zu erkennnen, so wurde gegen Wacker gleich ab der 1. Minute auf jegliches erkennbares Konzept verzichtet. Ein hoher Ball in die Spitze. Noch ein hoher Ball in die Spitze. Und noch ein hoher Ball in die Spitze. Was ist hier im Winter passiert, dass die Mannschaft offenbar nicht mehr weiß, wie man Fußball spielen kann?
Apropos Mannschaft – auch die Kaderplanung in der Winterpause muss an dieser Stelle kritisiert werden. Gabriel Lüchinger wurde an BW Linz verliehen (der dort ironischerweise aufblüht), obwohl Flavio Dos Santos seit nunmehr knapp vier Monaten in seiner kapverdischen Heimat fest sitzt. 25C° und Sonnenschein sind aber auch ein guter Grund, den österreichischen Boden zu meiden. Constantin Reiner war nach seinem Fehler gegen den FAC gestern erstmals nicht einmal mehr im Matchkader und Philipp Prosenik ähnelt von der Agilität her einer Bahnschranke, bzw. scheint primär eine Prestigeverpflichtung gewesen zu sein („Altach und Wolfsberg wollten den Spieler auch verpflichten“). Fairerweise kam er bislang aber auch nur sporadisch zum Einsatz und die Unform der Mannschaft macht eine Integration aktuell nicht gerade einfach.
Im Grunde entstammen die besten Neuverpflichtungen daher der eigenen Verletztenliste und tragen die Namen Thomas Reifeltshammer und Marcel Ziegl, auch wenn zweiterer bislang nur sporadisch zum Einsatz kam.
Die Verletztenliste ist ein gutes Stichwort, denn bei Verletzten werden Symptome erkannt und dementsprechend behandelt. Dies ist innerhalb der SVR jedoch noch nicht passiert und bringt mich zum derzeit stets wiederkehrenden Motto im Verein: Und täglich grüßt das Murmeltier. Besser gesagt verhalten sich die Spieler der SVR seit geraumer Zeit wie Murmeltiere auf dem Fußballplatz. Nachfolgend aufgelistet findet man alle vergebenen Führungen in der aktuellen Saison der sky Go Erste Liga:
Runde | Gegner | Führung | Endstand | Punkte |
24. Runde | Wacker Innsbruck | 1-0 | 1-3 | -3 |
23. Runde | BW Linz | 1-0 & 2-1 | 2-2 | -2 |
22. Runde | FC Liefering | 1-0 | 1-1 | -2 |
21. Runde | FAC | 1-0 | 1-1 | -2 |
19. Runde | Wiener Neustadt | 2-0 | 2-2 | -2 |
9. Runde | Kapfenberg | 1-0 | 1-2 | -3 |
7. Runde | Hartberg | 2-0 | 2-2 | -3 |
5. Runde | BW Linz | 1-0 | 1-1 | -2 |
ÖFB Cup | Rapid Wien | 1-0 | 1-2 | Out |
-19 |
Im Gegensatz dazu wurden nach Rückstand nur vier Punkte (3 gegen den FAC sowie 1 gegen Wacker Innsbruck) geholt, was eine Differenz von -15 Punkten (sowie das ÖFB-Cup-Out in Wien-Hütteldorf) ergibt.
Dies scheint erstaunlicherweise eine Spezialität des Trainers zu sein. Nach dem heutigen Spiel zwischen Wolfsburg und Schalke (0-1) wurde ich auf Twitter nämlich an Özgur Özdemir erinnert. Wie im letzten Frühjahr gegen den WAC schaffte es der Werksklub nämlich heute, einen Elfer zu vergeben und dann per Eigentor noch Punkte zu verlieren. Dies hat mich dazu bewogen, nochmals einen kurzen und schmerzhaften Blick zurück auf die vergangene Saison in der tipico Bundesliga zu werfen:
Runde | Gegner | Führung | Endstand | Punkte |
34. Runde | St. Pölten | 1-0 | 1-1 | -2 |
31. Runde | RB Salzburg | 1-0 | 1-1 | -2 |
30. Runde | WAC | 1-0 | 1-1 | -2 |
27. Runde | Mattersburg | 1-0 | 1-2 | -3 |
-9 |
Mit einer komplett anderen Mannschaft und anderen Gegnern also das gleiche Problem. Die Fahrlässigkeit, vor allem gegen die direkten Gegner im Abstiegskampf, hat letztendlich den Abstieg besiegelt. Der verschossene Elfer von Didi Elsneg beim 0-1 in St. Pölten (beim Stand von 0:0) ist hier nicht einmal eingerechnet, sollte aber zumindest beiläufig erwähnt werden. Ihr stellt euch die Frage, wie viele Punkte unter Chabbi in der Bundesliga nach Rückstand geholt wurden? Zero.
Man sollte sich im Verein somit ganz klar die Frage stellen (bzw. schon lange gestellt haben), wieso man saisonübergreifend in 13 der letzten 37 Spiele (inkl. ÖFB-Pokal) eine Führung verschenkt hat und nur einmal nach Rückstand gewinnen konnte. Wenn sich diese Werte nur einigermaßen ausbalancieren, dann spräche man von Normalität, wenn ein Punkteverlust nach Führung aber in 35% aller Partien (also im Schnitt in jeder dritten Partie) passiert, dann ist dies mehr als bloßer Zufall und ein augenscheinliches Problem.
Ohne Psychologe zu sein, aber diese Mannschaft hat vermutlich ein mentales Problem. Mit einer Führung im Rücken sollte man im Normalfall befreiter und sicherer aufspielen können, aus welchem Grund auch immer passiert bei der SVR aber das exakte Gegenteil. Haarsträubende Konzentrationsfehler, welche unter anderem in dämlichen Elferfouls und last minute Gegentoren resultieren, bringen die Mission Wiederaufstieg in allerhöchste Gefahr. Man sollte dies auch intern mit der Mannschaft ansprechen, wenn notwendig auch mit einem Mentaltrainer. Auch die kolportierte Gruppenbildung und schlechte Grundstimmung im Kader (welche ich aus verschiedenen Quellen vernommen habe) wären ein Fall für einen Mediator, sollten sich diese unbestätigten Gerüchte bewahrheiten.
Nebenbei trägt die Antiform von Leistungsträgern wie Ilkay Durmus (der im Winter durch einen Replikant ohne Fußballfunktion ausgetauscht worden sein dürfte), Seifedin Chabbi (seit 6 Spielen ohne Tor) und Thomas Fröschl (seit 6 Spielen ohne Tor) auch einen Teil zum Problem bei. In der Herbstsaison konnte man haarsträubende Defensivfehler oft durch die treffsichere Offensive kaschieren, was im Frühjahr nun einfach nicht mehr gelingt. Vielleicht ist der Kader auf manchen Positionen auch zu breit aufstellt (gestern agierte mit Haring und Reifeltshammer die vierte verschiedene Innenverteidigung im Frühjahr) und dieser Konkurrenzkampf scheint so manchen Spieler eher zu hemmen als zu motivieren.
Wie dem auch sei, dies sind nur Vermutungen. Fakt ist allerdings, dass man nur mehr 12 Runden Zeit hat, um das lecke Wikingerschiff wieder flott zu bekommen. Ansonsten könnte die Geschichte des knapp 106 Jahre alten Vereins am 25. Mai 2018 ihr trauriges Ende finden. Ob Lassaad Chabbi dies noch als Steuermann ausüben wird, werden die kommenden Tage zeigen und müssen andere Personen entscheiden.
Wichtig ist, dass permanente Schönrederei und verbale Realitätsfremdheit ihr Ende finden. Wir Fans vertragen die Wahrheit & realistische Einschätzungen von Punkteausbeute und spielerischer Note wären ein erster Weg zur Genesung des Patienten SVR. Doch Realismus ist nur die halbe Miete, auf Worte müssen nun primär Taten folgen. Am besten gleich mit einem überzeugenden Sieg in der Oststeiermark gegen Hartberg.
p.s. Ich wollte nach meinem spätnächtlichen Blogeintrag in der Vorwoche eigentlich so schnell nichts mehr schreiben. Die Entwicklungen der letzten Woche haben dieser Planung jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich würde wirklich viel lieber über Erfolge und Aufstiegseuphorie meines Vereins schreiben.
p.p.s. ist es eine der Lieblingsbeschäftigungen von Murmeltieren, sich Gruben zu graben. Auch deswegen ist die Analogie mit der momentanen Situation bei der SVR leider perfekt.

Quo vadis SV Ried, Edition 2018
Die SV Ried ist nunmehr seit sechs Spielen sieglos. Zuletzt setzte es in der Liga fünf Unentschieden nacheinander. Man hat im Frühjahr in drei Spielen sechs Punkte auf den härtesten Aufstiegskonkurrenten aus Innsbruck verloren. Außerdem liegt man bereits drei Verlustpunkte hinter dem hartnäckigen Überraschungsteam aus Wiener Neustadt. In der Rückrundentabelle hat man binnen fünf Spielen sogar unglaubliche acht (!) Punkte auf Wacker Innsbruck aufgerissen, wie die Formtabelle (via transfermarkt.at) zeigt:
Der Start in die wohl wichtigste Frühjahressaison der 106-jährigen Vereinsgeschichte ist schlimmer als in den schlimmsten Befürchtungen verlaufen. Und dabei hat man noch nicht einmal gegen zwei der drei Konkurrenten um den Aufstieg (Innsbruck und Hartberg) gespielt (diese Duelle folgen in den beiden kommenden Wochen).
Der Wurm ist drin
Im Herbst noch mit der besten Offensive der Liga ausgestattet, traf man zuletzt fünf Mal en suite nur aus Standardsituationen. Ein Elfer von Julian Wießmeier, noch ein Elfer von Wießmeier, ein Tor nach Ecke von Haring, ein Tor nach Ecke von Reifeltshammer und dann nochmal Wießmeier per Elfer. Aus dem Spiel heraus geht in der Mannschaft von Trainer Lassaad Chabbi seit Monaten überhaupt nichts mehr zusammen. Die hochgelobten Stürmer Seifedfin Chabbi, Thomas Fröschl und der im Winter aus Hütteldorf verpflichtete Philipp Prosenik haben in vier Spielen im Frühjahr noch kein einziges Mal genetzt.
Die Kritik am Trainer selber (knapp ein Jahr nach seinem Wechsel aus Lustenau) wird logischerweise ebenfalls immer lauter. Die Unfähigkeit, auf taktische Umstellungen oder Raffinessen des Gegners zu antworten, wird von Woche zu Woche auch für den Laien augenscheinlicher. Der Floridsdorfer AC (heute sang- und klanglos daheim 0-3 gegen Wiener Neustadt untergegangen) ließ vor zwei Wochen so gut wie keine Torchance in der Keine Sorgen Arena zu. Und dies mit einem relativ einfachen Konzept. Man attackierte die Innenverteidiger und defensiven Mittelfeldspieler hoch und zwang den Gegner auf diese Weise zu unkontrolliert hohen Bällen in die Spitze. Jegliche Reaktion auf diese Taktik der wohl objektiv schlechtesten Mannschaft der Liga war nicht vorhanden.
Ebenso eklatant wurden die taktischen Unzulänglichkeiten des Trainers im heutigen 2-2 im OÖ-Derby gegen BW Linz aufgedeckt. Nach dem (erneuten) Ausgleich der Linzer in der 64. Minute (also knapp 30 Spielminuten vom Abpfiff entfernt) besonn man sich auf ein einziges Offensivmittel: hohe und scheinbar unkontrollierte Bälle auf Fröschl und Prosenik. Feinster englischer kick & rush gegen den Tabellenletzten der Liga. Wobei dieser in der ersten Halbzeit bei jeder schnell herausgespielten Aktion eigentlich nicht wusste, wie ihm geschah. Keinerlei Änderung des taktischen Konzepts durch Umstellungen. Kein sichtbarer Matchplan. Keine Fokussierung auf die Stärken der qualitativ viel hochwertigen Einzelspieler. Mit den Auswechslungen von Chabbi Jun. und Durmus außerdem die gleichen (zumindest fragwürdigen) Wechsel wie am vergangenen Samstag in Grödig gegen Liefering.

Man kann auswärts bei Liefering durchaus nur Unentschieden spielen. Ebendort setzte es im Spätsommer nämlich sogar eine deftige 0-4 Niederlage. Aber man kann eben nicht ein 2-0 gegen Wiener Neustadt herschenken, daheim gegen den FAC nur remisieren und nun nach zweimaliger Führung ebenfalls nur einen Punkt beim Schlusslicht aus Linz holen. Mit einer solchen Punkteausbeute aus den ersten fünf Spielen der Rückrunde wäre man vielleicht in Wattens oder Kapfenberg zufrieden, für die selbst immer wieder und wieder kommunizierten Ansprüche der SV Ried ist dies jedoch einfach nur katastrophal und ungenügend.
Die Schuld der Spieler
Zig Male hat man in dieser Saison bereits gesehen, dass es auch in der zweithöchsten österreichischen Spielklasse niemals nur mit 80% oder 90% Einsatz geht. Wenn man in der skyGo Erste Liga nicht immer alles gibt, ist auch eine Truppe wie der FAC ständig um einen Gedanken flotter und deswegen um einen Schritt schneller. Umso trauriger, im Cupspiel bei Rapid hat man (nach dem Überstehen einer nervösen Anfangsphase) gesehen, wie diese Mannschaft kicken könnte wenn man von der ersten Minute weg mit 100% Einsatz am Werk ist.
Es läuft natürlich auch schlecht, weil einige Leistungsträger aus dem Herbst nun schon seit Monaten ihrer Form nachlaufen: Ilkay Durmus ist ein Schatten seiner selbst, Lukas Grgic hat seine Form nach dem Transfer vom LASK von Spiel zu Spiel verloren, Thomas Fröschl und Seifedin Chabbi sind seit fünf Spielen ohne Torerfolg und auch von der hochkarätig besetzten Bank mit bundesligaerprobten Kickern, um welche 2-3 Bundesligisten neidisch sein sollten, kommen kaum Impulse.
Vielmehr scheint die Mannschaft ein tiefgreifendes mentales Problem zu haben. Dieses dauerhafte Gebrabbel von „Favorit auf den Meistertitel“ scheint die Spieler immer mehr zu hemmen. Man kommt mit dieser selbst auferlegten Favoritenrolle im Kampf um den Aufstieg ganz einfach nicht zurecht. Mittlerweile wurden bereits 15 (!) Punkte nach einer Führung verschenkt. Zuletzt ging man mit Ausnahme des 0-0 in Lustenau stets in Führung (2-0 gegen Wiener Neustadt, 1-0 gegen den FAC, 1-0 im ÖFB-Cup bei Rapid, 1-0 bei Liefering und heute 1-0 sowie 2-1 in Linz) und schaffte es KEIN einziges Mal, den Sieg über die Runden zu bringen. Vielmehr kassierte man mit Ausnahme von Rapid in jedem Ligaspiel sogar postwendend den Ausgleich. Gegen den FAC nach zwei Minuten, gegen Liefering nach neun Minuten und heute nach drei bzw. vier Minuten.
Dies sind für mich grobe Konzentrationsprobleme. Sir Alex Ferguson hat einmal gesagt, dass der Gegner nach einem Gegentor am verwundbarsten ist. Bei der SVR hingegen tritt der inverse Effekt ein, ein Führungstreffer scheint ein kurzfristiges mentales Abschalten zur Folge zu haben. Ist es voreilige Genugtuung oder das Wiegen in falscher Sicherheit? Das kann man von außen nur schwer beurteilen. Von bloßem Zufall kann man jedoch nicht mehr sprechen, vor allem wenn man sich die gravierenden Fehlerketten vor den letzten Gegentoren nochmals vor das geistige Auge führt.

So agiert keine Mannschaft, die von sich selber überzeugt ist und mannschaftlich gefestigt ist. Es gibt gemäß des allgemeinen Tenors auch zu wenige Leaderfiguren auf dem Platz. Thomas Reifeltshammer war durch seine Schambeinentzündung lange out, Thomas Gebauer kann von der Torhüterposition wenig bewirken und ansonsten sehe ich in dieser Mannschaft nicht einmal annähernd einen Typen wie Roy Keane, Patrick Vieira oder John Terry. Das sind natürlich extreme Beispiele. Aber ich sehe aktuell nicht einmal einen Andrzej Lesiak, Michael Angerschmid oder Didi Berchtold im Kader. Jemanden, der stets dort hingeht, wo es weh tut und keine Auseinandersetzung mit Gegner und Schiedsrichter scheut. Ganz im Gegenteil, ein großer Teil der Generation der Instagram-Kicker legt viel Wert auf die Dinge abseits des Platzes, beispielsweise Hiphop, Tattoos und den Gang in die Kraftkammer.
Die Schuld des Trainers
Doch nicht allein das Fehlen von Führungsfiguren innerhalb der Mannschaft scheint ein Problem zu sein, auch der ultra-autoritäre Führungsstil des Trainers dürfte für manche Spieler (zumindest wenn man dem talk of the town Glauben schenkt) auch ein Problem darstellen. Das dauerhafte Reinbrüllen von Anweisungen, welches in der quasi-Fernsteuerung von Spielern gipfelt, welche in der Nähe der Trainerbank agieren (Anm. jeder Besucher des Testspiels in Grieskirchen gegen die Puskas Academy weiß, wovon ich schreibe) kann auf Dauer kein zeitgemäßes Trainermittel sein. Außerdem ist Chabbi absolut erbarmungslos wenn es um das Absägen von Spielern geht. Winter-Neuzugang Constantin Reiner hat nach seinem Fehler gegen den FAC keine Einsatzminute mehr bekommen und auch der verliehene Gabriel Lüchinger, der heutige Torschütze zum 2-2 (oh the irony), hat in Wahrheit in der Hinrunde niemals eine faire Chance erhalten.
Julian Wießmeier ist für mich auch das Exempel einer undurchdachten Transferstrategie. Mit dem Deutschen hat man bereits vor Ende der Vorsaison einen echten Spielmacher geholt (der auch die #10 am Rücken trägt), der aber meistens als rechter Mittelfeldspieler (für diese Position ist er zu langsam) oder als zentraler Mittelfeldspieler (für diese Position ist er zu wenig robust und kann nicht genug Offensivimpulse setzen) agieren muss, weil er sonst nicht in das eingefahrene 4-4-2 System passt.
Umso erstaunlicher, dass Chabbi diesen Spieler bereits aus Lustenau kannte und daher eigentlich genau wissen müsste, wo seine Stärken liegen. Stellt sich nun die Frage: wie oft spielte Lustenau in der Vorsaison mit einem 4-4-2? Exakt einmal. Seine produktivsten Spiele in der Vorsaison hatte Wießmeier als OM in einem 4-3-2-1 und als offensiver zentraler Mittelfeldspieler in einem 4-3-3. Hier spricht also vieles dafür, dass man im Mai des Vorjahres noch kein wirkliches Konzept hatte, wie man in der kommenden Saison agieren würde.
Wie auch immer, ein Team mit einer überdurchschnittlich großen Anzahl an Individualisten (zu denen fraglos auch Wießmeier gehört) sollte im Lauf einer Saison eigentlich immer eingespielter werden und zunehmend kompakt agieren. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, man merkt (wie schon im Frühjahr der Vorsaison) einfach keine Fortschritte. Schlimmerweise sind eher sogar Rückschritte erkennbar. Die massive Anfälligkeit bei Standards, die Unfähigkeit mit hohen Bällen des Gegners in die Spitze klar zu kommen, das Fehlen eines klaren Spielkonzepts, die Kunst ohne Einzelaktionen offenbar kein Spiel gewinnen zu können – das alles zieht sich wie ein roter Faden durch die bisherige Saison. Und das sind allesamt Dinge, welche ein Trainer proaktiv beheben muss, was ganz einfach nicht der Fall ist.

Dies bringt mich auch zu meiner logischen Konsequenz: wenn das Spiel am kommenden Freitag gegen Wacker Innsbruck verloren geht, müssen Roland Daxl und Franz Schiemer reagieren und den Trainer austauschen. Denn nach den heutigen „Wir wollen euch siegen sehen„-Sprechchören nach Spielende würde die Stimmung unter den Fans wohl endgültig kippen. Ein Rückstand von sieben Punkte auf Wacker und vermutlich sechs Verlustpunkten auf Wiener Neustadt würde 12 Spieltage vor Saisonende zwar noch keine unlösbare Aufgabe bedeuten, aber der Trend der letzten Monate muss irgendwie gestoppt werden, damit zumindest der Relegationsplatz nicht in Gefahr gerät (.. so schnell können Ansprüche sinken). Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohn Ende (5€ ins Phrasenschwein).
Wenn man nicht aufsteigt?
Es ist – wenn man mit vereinsnahen Personen spricht – ein offenes Geheimnis, dass die SVR ohne Aufstieg in arge finanzielle Nöte geraten wird und kommende Saison vermutlich nicht in der neuen 2. Liga spielen würde. Roland Daxl hat in einem Interview mit den OON am 22.2. schon erklärt, dass er bei einem Nichtaufstieg das sinkende Schiff in bester Schettino-Manier wohl verlassen wird. Das exakte Zitat dieses Interviews auch hier nochmals zum nachlesen:
Ich muss aber ganz offen sagen, dass ich den Verein im Falle eines Nichtaufstiegs wohl übergeben würde.“
Der Aufstieg der SV Ried ist somit eine wirtschaftliche Notwendigkeit für diesen Verein. Die offensive Herangehensweise an die Aufgabe mit der Zusammenstellung des teuersten Kaders der Liga war ein kalkuliertes Risiko und für mich durch die Ligareform auch legitim. Aber gleichzeitig hinterlässt die Abkehr von der langjährigen Rolle des zurückhaltenden und ausgefuchsten Dorfvereins mit der Transformation zum großmauligen Dorfkaiser auch seine Spuren, vor allem wenn es um die Motivation der Gegner in den direkten Duellen geht. Liebend gerne hat Wacker Innsbruck unsere selbsternannte Favoritenrolle vor der Saison angenommen. Mit Freude bezeichnet Roman Mählich die SVR noch immer als den großen Aufstiegsfavoriten der Ersten Liga. Unser Ex-Co-Trainer Thomas Sageder musste seine Jungs von BW Linz gestern wohl kaum zusätzlich motivieren als diverse Zeitungsausschnitte und Interviews an die Kabinentür zu heften.
Aber zurück zur SVR – falls es irgendwelche Menschen mit Affinität zu diesem geilen Verein noch immer nicht kapiert haben, dann will ich dies hier schwarz auf weiß festhalten: wenn man den Wiederaufstieg in die Bundesliga nicht schafft, wird man kommende Saison mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in der zweithöchsten Spielklasse Österreichs agieren, sondern einige Stufen darunter. Das ist keine Schwarzmalerei sondern die bittere Realität.
Daher will ich am Ende meines ersten nach-mitternächtlichen Blogeintrags folgenden Appell starten: JEDER Spieler, JEDER aus dem Trainerteam, JEDER Funktionär und JEDER aus der Vereinsführung muss sich schnellstmöglich darauf besinnen, dass aktuell NICHT alles in Ordnung ist. Dass es NICHT nur Kleinigkeiten sind, welche uns von Sieg und Unentschieden trennen. Dass diese Probleme offen ausgesprochen werden müssen und an einer schnellen Behebung gearbeitet werden muss, bevor es zu spät ist.
Denn eines kann ich (auf Basis vieler Gespräche mit vielen langjährigen Fans) garantieren – die größtenteils zurückhaltende und teilweise aufmunternde Reaktion der Fans nach dem Bundesligaabstieg wird sich bei einem möglichen Nichtwiederaufstieg ganz sicher nicht wiederholen. Wenn dieses ultimative (weil überlebensnotwendige) Ziel heuer verbockt wird, dann werden alle beteiligten Personen (egal ob Spieler oder Funktionäre) für immer und ewig mit dem dunkelsten Kapitel der Rieder Vereinsgeschichte in Verbindung stehen. Und das will hoffentlich niemand. Also daher auf gut Innviertlerisch: reißt’s euch zsam, owa schnell.
9Oscars – Langeweile & Vorhersehbarkeit
Ich gehe direkt in medias res. So berechenbar und langweilig wie heuer war die Oscarverleihung – ausgerechnet an ihrem 90. Jubiläum – wohl überhaupt noch nie. Warum dies so ist – mehr dazu später.
Auf alle Fälle habe ich in meinem Tipp vom 8. Jänner bereits 14 von 20 Kategorien richtig getippt (Documentary, Documentary Short, Animated Short und Live Action Short habe ich damals ausgelassen). Im Abgleich mit meinem Spreadsheet vom gestrigen Abend wären sogar 19 von 20 Kategorien richtig gewesen. Lediglich die Special Effects haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, dafür hätte ich auch Documentary & Documentary Short richtig gehabt).
Deswegen war es nachwirkend betrachtet auch die absolut richtige Entscheidung, die Oscars heuer zum zweiten Mal in Folge nur „as live“ anzusehen. Also per Aufnahme der ORF-Übertragung um 07:00 in der Früh, ohne Schlafdefizit, ohne Spoiler und mit der Fähigkeit, die gefühlten 72 Werbeblöcke [bzw. am ORF Zwischenanalysen] per Knopfdruck überspringen zu können. Bis auf weiteres werde ich daher wohl auch bei dieser Art des Academy-Award-Watchings bleiben.
Die Gewinner (sagen wir mal so)
Wer waren die großen Gewinner und Verlierer des Abends? Nun, durch die extrem breite Verteilung der Statuetten gibt es heuer eigentlich mehr Verlierer als Gewinner. The Shape Of Water ist mit vier Oscars, darunter in den Hauptkategorien Bester Film und Beste Regie (Guillermo del Toro) unter die Gewinner zu zählen, obwohl die Gesamtquote mit 4 aus 13 eigentlich ziemlich schlecht ist. Darkest Hour ist mit zwei von sechs Oscars (Gary Oldman als Bester Hauptdarsteller sowie für das Beste Makeup) ebenfalls einer der Gewinner.

Coco, der neueste Film von Pixar/Disney, ist mit einer 100%igen Quote – zwei von zwei – ebenfalls ein klarer Gewinner. Vermutlich sogar der größte Gewinner des Abends (¡Viva México!). Neben dem erwarteten Sieg in der Kategorie Bester Animationsfilm konnte die Taschentuchfraktion von Pixar auch in der Kategorie Bester Song die höher eingeschätzte Konkurrenz von The Greatest Showman besiegen. Blade Runner 2049 darf sich durch den Oscar für Roger Deakins (endlich, nach 13 Nominierungen ohne Sieg) als Bester Kameramann und den Sieg in der Kategorie Special Effects (gegen das leicht höher eingestufte War For The Planet Of The Apes) ebenfalls noch unter die Gewinner zählen.
Dunkirk ging als haushoher Favorit in die Awards Saison, strauchelte jedoch zunehmend und wurde nach und nach von Three Billboards sowie The Shape Of Water aus den Hauptkategorien verdrängt. Nach dem Ausgang der Globes, SAG Awards und BAFTAs war schon klar, dass sich das Kriegsepos von Christopher Nolan mit technischen Awards zufrieden geben wird müssen. Und mit den Triumphen in Sound Editing, Sound Mixing und Editing passierte dann im Endeffekt genau dies. Hoyte van Hoytema hätte, wie schon in meinem Artikel aus dem Jänner angemerkt, in jedem anderen Jahr mit 99%iger Sicherheit den Oscar für die Beste Kamera nach Hause getragen, scheiterte jedoch heuer (zurecht) an Deakins. Im Endeffekt sind die drei Oscars (die nummerisch zweitbeste Ausbeute des Abends) aber das Maximum welches herausgeholt werden konnte.
Die Verlierer
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri startete mit einem hauchdünnen Vorsprung in die Zielgerade, musste jedoch am Ende in einem Fotofinish den Vortritt an The Shape Of Water geben. Diese Entscheidung war kurioserweise die spannendste der gesamten Zeremonie. Vor allem, weil es in den letzten Jahren fast ständig einen Split zwischen Best Director und Best Picture gab. Zwei Darstelleroscars (für Frances McDormand als Beste Hauptdarstellerin und Sam Rockwell als Bester Nebendarsteller) sind zwar nie zu verachten, im Endeffekt jedoch eine Enttäuschung für das in Alabama (und amüsanterweise nicht in Missouri) gedrehte Drama. The Phantom Thread (mit Daniel Day Lewis in seinem angeblich letzten Film) ging etwas überraschend mit sechs Nominierungen in den Abend, konnte am Ende aber (erwartungsgemäß) nur den Oscar für das Beste Kostümdesign mit nach Hause nehmen.
Nun zu den Indie-Filmen bzw. Newcomern. Lady Bird ist wohl der große Verlierer des Abends. Als einziger Mitfavorit konnte das Coming-of-Age-Drama von Greta Gerwig keinen einzigen Oscar gewinnen. Laurie Metcalf startete bei der Besten Nebendarstellerin aus der Pole Position, wurde jedoch nach und nach von Allison Janney (als harte bzw. bösartige Mutter von Tonya Harding in I, Tonya) überrundet und konnte gestern auch nicht mit einem Gewinn rechnen.
Nicht viel besser erging es Call Me By Your Name – das jedoch mit dem Oscar für das Adaptierte Drehbuch des 89-jährigen James Ivory zumindest einen Trostpreis gewinnen konnte. Ivory ist nun auch der älteste Oscargewinner aller Zeiten. Christopher Plummer (88) war für All The Money In The World bereits der älteste Schauspieler, der jemals für einen Oscar nominiert wurde. Ähnliches wie für Call Me By Your Name gilt auch für Get Out – hier konnte Jordan Peele den Academy Award für das Beste Originaldrehbuch für sich entscheiden, ging jedoch für den Besten Film und die Beste Regie leer aus. Bemerkenswert allerdings, dass es vor ihm nur drei andere Personen gab, welche in einem Jahr für diese drei Preise nominiert waren.
Mudbound, Star Wars: The Last Jedi, Baby Driver, The Beauty And The Beast, The Post und Victoria & Abdul gingen jeweils (fast durchgehend erwartungsgemäß) leer aus. Vor allem für das Journalismusdrama von Steven Spielberg ist dies nach nur zwei Nominierungen der nächste Schlag ins Gesicht, da das Gesamtrezept aus Spielberg + Streep + Hanks + Journalismus + US-Geschichte eigentlich für einen großangelegten Oscar-Push gesprochen hatte. Wenn man der öffentlichen Meinung jedoch Glauben schenkt, fehlt des dem Film ganz einfach an Substanz.
Die Langeweile
Die Awards-Season selber wird immer mehr zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Durch das Zusammenspiel an Vorpreisen (Globes, SAGs, BAFTAs etc.), Buchmacherquoten und Awards-Seiten (wie z.B. goldderby.com) werden Überraschungen nicht nur immer unwahrscheinlicher. Ich vertrete sogar mittlerweile die These, dass viele Mitglieder der Academy auch nicht annähernd alle Filme anschauen (müssen sie auch nicht), sondern teilweise auf Basis des allgemeinen Tenors entscheiden. Denn man wird [als Mitglied der Academy] im Gegensatz zu früher nicht nur nach seiner Meinung gefragt, sondern auch vielerorts konkret darauf angesprochen, was man von großen Favoriten hält und wie die historischen Chancen für bestimmte Konstellationen sind.
Nicht nur der Mangel an Überraschungen sondern auch der Mangel an bemerkenswerten Momenten oder Reden macht für mich die Summe aus meinem persönlichen Hashtag #OscarsSoBoring aus. Klar wurden diverse Bewegungen wie #MeToo oder #TimesUp in den Fokus gestellt, Harvey Weinstein kritisiert und die Diversity von Hollywood (im Bezug auf Hautfarbe, Geschlecht und sexueller Neigung) bei jeder Gelegenheit ins Licht gerückt. Aber wirklich neue Erkenntnisse wurden auch nicht gewonnen. Keine Brandreden gegen Trump, keine geheimen Offenbarungen und auch keine Fauxpas (looking at you, Warren & Faye) rundeten den Abend der Langeweile (bzw. für mich den Morgen der Langeweile) perfekt ab.
Der Ausblick
Wird das Oscarrennen kommendes Jahr spannender werden? Man weiß es nicht. Langweiliger wird es allerdings kaum werden können. Black Panther ist auf alle Fälle der erste ernstzunehmende Kandidat für 2019. Abgesehen davon wird First Man von Oscar-Gewinner Damien Chazelle mit Ryan Gosling als Neil Armstrong und Claire Foy als starker Kandidat gehandelt. Neue Filme von den ehemaligen Best-Picture-Siegern Steve McQueen (12 Years A Slave) sowie Barry Jenkins (Moonlight) sind logische Eintragungen auf der Watchlist. Auch ein neuer Film von Altmeister Scorsese namens The Irishman (mit dem alten Traumduo DeNiro & Pacino) wird in die Kinos kommen.

Aus österreichischer Sicht wird Radegund von Terrance Malick (The Thin Red Line, The Tree Of Life) höchstinteressant werden, welches die Geschichte von Franz Jagerstätter erzählt und mit Matthias Schoenaerts, Bruno Ganz, Michael Nyqvist, August Diehl, Tobias Moretti und Karl Markovics auch hochkarätig besetzt ist. Abgerundet wird der Notizzettel von neuen Filmen von Alfonso Cuaron (Gravity), Adam McKay (The Big Short) sowie Steven Spielberg.
Nach diesem kurzen Ausblick in das Filmjahr 2018 gilt für uns selbsternannten Oscarologen nun wieder folgendes Motto: Die Awards Season ist tot, lang lebe die Awards Season.
Golden Globes 2018 – Analyse & Ausblick
Die gestrigen 75. Golden Globe Awards in Hollywood standen ganz unter dem Zeichen von #MeToo und #TimesUp. Wer die wirklich beeindruckende Rede von Oprah Winfrey (der heurigen Cecil B. De Mille Preisträgerin) noch nicht gesehen oder gehört hat, lebt womöglich unter einem digitalen Stein und kann dies hier nachholen:
Oprah als nächster POTUS? Wieso nicht. Aktuell wird auf alle Fälle fleißig spekuliert. Mit ihrem kommerziellen Imperium hat sie ein Vermögen von geschätzten 2.8 Milliarden USD aufgebaut (Quelle: Forbes) und abgesehen davon ist sie sowieso ein national treasure. Trump gegen Winfrey in 2020 wäre das wohl ungleichste politische Duell aller Zeiten, zumindest in den Vereinigten Staaten. Aber: sogar das stable genius ist (war) ein Fan der langjährigen Talkshow-Queen, wie der nachfolgende Tweet aus 2012 beweist. Im Falle von Trump kommt einmal mehr die Regel zur Anwendung: there’s a tweet for everything.
Golden Globes: Verlierer des Abends
Doch nun in medias res. Beginnen will ich beim großen Verlierer des Abends und dieser lautet ganz eindeutig Dunkirk. Dreimal nominiert, galt das Kriegsepos von Christopher Nolan bis zuletzt zumindest als Favorit in zwei dieser drei Kategorien. Doch sowohl Hans Zimmer für seine Filmmusik (gegen Alexandre Desplat) als auch Nolan selber (gegen Guillermo del Toro) zogen jeweils den kürzeren gegenüber The Shape Of Water (bei uns ab 16. Februar in den Kinos). Auch der Film an sich war dadurch im Endeffekt in der Kategorie Bestes Drama chancenlos. Einmal mehr bestätigt sich die Annahme, dass ein Film mit einem Start im Sommer fast chancenlos in der Awards Season ist. Wer Oscars abräumen will, bringt einen Film schon seit Jahren irgendwann zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember in die Kinos, so erzielt man den besten Querschnitt aus Kurzzeitgedächtnis und Langzeiterinnerung.
Für Dunkirk dürfte nach gestern auch das Oscarrennen gelaufen sein. Neben der Bauchlandung bei den Globes gab es nämlich vorletzte Woche auch keine Nominierung für das Beste Ensemble bei den SAG-Awards (Screen Actors Guild). Der letzte Film, der den wichtigsten aller Oscars ohne diese Nominierung holen konnte? Braveheart vor über 20 Jahren. Als letztes Strohfeuer könnten sich nur mehr die BAFTAs anbieten, denn die Geschichte von Dunkirk ist ein großes Stück britische Geschichte – und wenn der Film auch im Heimatland keine Preise holt, wird der Oscarreigen im Endeffekt auf die technischen Kategorien beschränkt bleiben. Für Schnitt, Tonschnitt und Toneffekte ist der Film nahezu konkurrenzlos, im Falle der besten Kameraführung ist Hoyte Van Hoytesma auch nur durch eine Ausnahmeleistung von Altmeister Roger Deakins (13 Nominierungen, 0 Siege) bei Blade Runner 2049 ins Hintertreffen geraten.
Ebenfalls ein Verlierer des Abends ist das coming-of-age Drama Call Me By Your Name, das wie Dunkirk ebenfalls gänzlich leer ausging. Dem Newcomer Timothy Chalamet (nebenbei auch mit Lady Bird im Rennen um einen SAG-Award) wurden leichte Außerseiterchancen gegen Gary Oldman nachgesagt, im Endeffekt konnte der britische Charakterdarsteller aber dann für seine Rolle als Winston Churchill in The Darkest Hour doch noch den Sieg über die Ziellinie retten. Auch Armie Hammer (The Social Network; The Lone Ranger) und der Film an sich gingen leer aus.
Das schlechte Abschneiden von The Post (bei uns klarerweise mit Die Verlegerin übersetzt) ist wenig überraschend. Der Film hatte nur kurzzeitig Oscar-Buzz, obwohl das Drama eigentlich ALLE Zutaten für einen Abräumer in der Awards Season aufweist: Steven Spielberg + Meryl Streep + Tom Hanks + Filmmusik von John Williams + Film über die Integrität der Presse. Woran es liegt? Ich weiß es nicht.
Zurück zu The Shape Of Water – auch das Fantasydrama des mexikanischen Fantasyspezialisten Guillermo del Toro (einem breiten Publikum bekannt geworden durch Pan’s Labyrinth) muss man nicht unbedingt zu den großen Gewinnern des Abends zählen. Trotz der beiden Statuetten für Regie und Filmmusik ging man als meist nominierter Film des Abends in allen anderen Kategorien leer aus. Sowohl in der Hauptkategorie (Bestes Drama) als auch bei den Schauspielerpreisen (Sally Hawkins als Beste Hauptdarstellerin in einem Drama und Richard Jenkins als Bester Nebendarsteller) musste man sich der starken Konkurrenz beugen.
Golden Globes: Gewinner des Abends
Three Billbourds Outside Ebbing, Missouri startete nicht als Topfavorit in die Awards Season, ist jedoch seit gestern jener Film, der ab jetzt geschlagen werden muss. Dies zeigen auch die aktuellen Buchmacher-Quoten, welche etwas später in diesem Blogposting angetroffen werden können (ich will den Spannungsbogen nicht brechen).
Neben dem wichtigsten Preis (Best Drama) konnte das Drama von Martin McDonagh (In Bruges, 7 Psychopaths) auch erwartungsgemäß den Preis für die beste Hauptdarstellerin in einem Drama (Frances McDormand) abräumen. Die Charakterdarstellerin (und nebenbei Ehefrau von Joel Coen) dürfte damit aller Voraussicht nach heuer ihren zweiten Oscar nach Fargo im Jahr 1997 gewinnen – und dies nach einstimmiger Meinung aller Experten auch völlig verdient.

Etwas überraschend war der Sieg von Sam Rockwell (Moon) als Bester Nebendarsteller gegen den favorisierten Willem Defoe, der jedoch einen großen Nachteil hatte, weil sein Film The Florida Project von der HFPA (Hollywood Foreign Press Association) ansonsten gänzlich außen vor gelassen wurde. Hier würde ich das Rennen zwischen Rockwell und Defoe jedoch noch nicht als erledigt sehen. Bloß Richard Jenkins (wie erwähnt für The Shape Of Water), der dritte potentielle Kandidat, dürfte nun bereits aus dem Rennen sein.
Größter Gegner von Three Billboards Outside Ebbing, Missouri könnte ab jetzt Lady Bird sein. Das Regiedebüt von Indie-Queen Greta Gerwig (Frances Ha, Mistress America) über einen rebellischen Teenager, dem die kalifornische Heimatstadt zu klein wird, wurde nämlich in der Kategorie Beste Komödie/Musical seiner Favoritenrolle gerecht.
Auch Saoirse Ronan (die man wie im nachfolgenden Clip aus der Late Show With James Corden ausspricht) wurde als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet und wird heuer im zarten Alter von 23 bereits zum dritten Mal für den Oscar nominiert werden (Atonement, Brooklyn) und damit einen neuen Altersrekord für diese Marke aufstellen. Die bezaubernde Irin (die in New York City geboren wurde) wird über kurz oder lang sowieso die Nachfolge von Meryl Streep und Kate Winslet als mehrheitlich gefühlt beste Schauspielerin ihrer Generation antreten.
Laurie Metcalf (bekannt durch ihre Rollen als Schwester von Roseanne sowie als Mutter von Sheldon in The Big Bang Theory) verlor etwas überraschend das Kopf-an-Kopf-Rennen gegen den HFPA-Darling Allison Janney. Diese wurde für ihr Porträt als Tonya Hardings ultrastrenge Mutter im Biopic über das Leben der skandalbehafteten Eiskunstläuferin in I, Tonya ausgezeichnet. Doch auch hier ist das Rennen noch lange nicht gelaufen.
Was habe ich bis dato noch nicht erwähnt? Das Terror-Drama Aus dem Nichts (In The Fade) von Fatih Akin mit Diane Kruger (Inglourious Basterds) in der besten Rolle ihres bisherigen Schauspielerlebens konnte doch etwas überraschend den Preis für den besten Auslandsfilm gewinnen. Damit geht Deutschland auch als leichter Favorit in das Oscarrennen. Doch gerade bei den Auslandspreisen sind sich HFPA und Academy oft sehr uneinig.
James Franco galt als leichter bis mittlerer Favorit für seine Darstellung in The Disaster Artist (bei dem er sich nebenbei auch für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnete) und konnte sich im Endeffekt auch gegen Daniel Kaluuya (Get Out) durchsetzen. Mehr als eine leichte Erhöhung seiner Chancen auf eine Nominierung für den Besten Schauspieler bei den Oscars stellt dies jedoch nicht dar. Hier sind die Herren aus der Dramakategorie erfahrungsgemäß deutlich bevorzugt.
Coco, das neueste Pixar-Meisterwerk, war und ist heuer im Bezug auf den Besten Animationsfilm sowieso gänzlich konkurrenzlos und wird heuer auch den Oscar gewinnen. Der Sieg von This Is Me war eine große Überraschung beim Besten Song, hier ist Remember Me aus Coco aus der Feder von Kristen Anderson Lopez und Robert Lopez (Oscar für Let It Go aus Frozen) weiterhin der große Oscarfavorit. Auch in dieser Kategorie liegen nämlich die Geschmäcker von HFPA und Academy weit auseinander.
Hochrechnung: Academy Awards 2018
Nachfolgend die bereits angekündigten aktuellen Quoten von oddschecker.com (Stand: 8. Jänner 2018) für den Besten Film bei den Oscars, bei denen Dunkirk vom ersten auf den sechsten Platz zurückgerutscht ist.

Es ist noch immer sehr früh – es gibt noch keine BAFTA- & Oscar-Nominierungen und die PGA Awards und SAGs wurden auch noch nicht vergeben, aber dennoch wage ich mich an meine erste ernsthafte Hochrechnung für die heurigen Oscars.
Film | Three Billboards Outside Ebbing, Missouri |
Actress | Frances McDormand (Three Billboards) |
Actor | Gary Oldman (The Darkest Hour) |
Actress in a Supporting Role | Laurie Metcalf (Lady Bird) |
Actor in a Supporting Role | Sam Rockwell (Three Billboards) |
Directing | Guillermo del Toro (The Shape Of Water) |
Original Screenplay | Lady Bird |
Adapted Screenplay | Call Me By Your Name |
Cinematography | Roger Deakins (Blade Runner 2049) |
Costume Design | The Beauty And The Beast |
Production Design | The Shape Of Water |
Film Editing | Dunkirk |
Sound Editing | Dunkirk |
Sound Mixing | Dunkirk |
Visual Effects | War For The Planet Of The Apes |
Makeup & Hair | The Darkest Hour |
Score | Alexandre Desplat (The Shape Of Water) |
Song | Remember Me (Coco) |
Animated Feature | Coco |
Foreign Film | Aus dem Nichts (Deutschland) |
Die Kategorien Documentary, Documentary Short, Animated Short und Live Action Short lasse ich wie üblich aus, hier hat man als Laie eigentlich nur wenig Chancen auf den richtigen Tipp.
Zusammenfassend würde diese Verteilung folgendes Bild ergeben:
3 – Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
3 – The Shape Of Water
3 – Dunkirk
2 – Lady Bird
2 – Coco
2 – The Darkest Hour
1 – Call Me By Your Name
1 – Blade Runner 2049
1 – The Beauty And The Beast
1 – War For The Planet Of The Apes
1 – Aus dem Nichts
Der Trend der letzten Jahre würde sich demnach also weiter fortsetzen. Die Zerklüftung der goldenen Statuetten auf viele verschiedene Filme ist nämlich mittlerweile schon Standard und nicht mehr die Ausnahme. Die Zeiten der großen Abräumer wie Titanic oder Lord Of The Rings: The Return Of The King (jeweils 12 Oscars) sind vorbei, weil die Academy in ihrer Zusammenstellung auch immer heterogener geworden ist. Indie-Filme wie heuer Lady Bird, Call Me By Your Name die vor 10-15 Jahren noch mehrheitlich chancenlos gewesen wären, haben mittlerweile die gleichen (oder teilweise sogar besseren) Chancen wie ein 100-Millionen-Epos im Stile von Dunkirk.
Das nächste (und letzte) Update meiner Oscar-Tipps gibt es dann in der Woche vor der Verleihung der Oscars, welche heuer am ersten Sonntag im März stattfindet.
Best of 2017: Serien
Wir leben in einem Zeitalter, in dem es aufgrund des hohen Niveaus und der großen Vielfalt an (Bezahl-)Plattformen einfach nicht mehr möglich ist, alle vielversprechenden Serien anzusehen. Ich persönlich habe (um nur einige Beispiele zu nennen) The Handmaid’s Tale, This Is Us, GLOW, Outlander oder The Crown noch nie gesehen. Von Big Little Lies und The Deuce war ich nicht so überzeugt wie viele Kritiker.
Ich hätte heuer genau so gut eine Liste mit meinen Top20-Serien erstellen können, denn es gibt auch einige prominente Opfer, welche heuer aus verschiedensten Gründen ihren Platz in meiner Top10-Liste verloren haben: Game Of Thrones, Orphan Black, Black Mirror, The Americans, Sherlock, Master Of None BoJack Horseman, Bloodline, The Affair, Homeland sowie Ray Donovan.
Insgesamt gibt es in meiner heurigen Liste fünf Neueinstiege, den höchsten auf Platz 1. Neben der Platzierung in Klammer jeweils die Information über die Staffel, die Anzahl der Episoden in der Staffel sowie die amerikanische & österreichische Plattform, auf welche man die Serie ansehen kann. Hier noch die Links zu meiner Liste aus 2016 sowie zur Liste aus 2015.
10 – Ozark (Staffel 1 / 10 Episoden // Netflix)

Einer der Überraschungshits des Jahres. Eine scheinbar normale Familie rund um Jason Bateman und Laura fucking Linney (regelmäßige Seher von Last Week Tonight werden diese Referenz verstehen) muss schlagartig von der großen Stadt in die Ozarks (Missouri) flüchten bzw. untertauchen, weil die geheimen Machenschaften des Ehemanns (Geldwäsche für ein Drogenkartell) ans Licht kommen. Seine Frau und Kinder können sich mit der Situation nur wenig anfreunden, denn vom technologischem Fortschritt hat man im Sumpfgebiet noch eher wenig erfahren und auch die Menschen sind größtenteils seltsam (bzw. kriminell).
Ozark ist eine Serie mit (überraschend) schwarzem Humor und einigen unerwarteten Wendungen. Ich persönlich konnte mir Jason Bateman (Arrested Development, Horrible Bosses) nur schwer in einer dramatischen Rolle vorstellen, er überzeugt jedoch vollends und wurde auch für einen Golden Globe nominiert. Eine zweite Staffel ist bereits in Planung, es gibt allerdings noch keinen Termin dafür.
09 – Better Call Saul (S3 / 10E // AMC / Netflix)

Das Niveau, welches Better Call Saul als Spinoff von Breaking Bad halten kann, wird immer beeindruckender. Die Mischung aus Anwaltsserie, Krimi, Komödie und Drama ist einfach abgerundet. Seit der dritten Staffel gehört auch Giancarlo Esposito in seiner Rolle als Drogenbaron Gus Fring wieder dem Ensemble an. Doch vor allem Michael McKean konnte heuer in seiner Rolle als Bruder von Jimmy McGill (Bob Odenkirk) seinen schauspielerischen Stempel auf die Serie aufdrücken. Im Gegensatz zu BB erfährt BCS jedoch insgesamt weniger Kritikerliebe, anders ist es nicht zu erklären, dass Bob Odenkirk bisher noch keinen Emmy oder Globe für seine Paraderolle erhalten hat. Am Sonntag hat er die nächste (kleine) Chance dazu. Doch Kritikerpreise hin oder her, BCS ist eines der besten Spinoffs aller Zeiten (ich mochte dich nie, Frasier), hat durch seine Existenz im BB-Universum eine automatische Fanbasis und wird auch für mich weiterhin ein Fixpunkt in meinem Netflix-Katalog bleiben.
08 – Fargo (S3 / 10E // FX / Netflix)

Fargo ist eine Anthologieserie. Das bedeutet, dass mehrere Staffeln unter dem gleichen Titel laufen, jedoch nichts (oder wenig) miteinander zu tun haben. Im Bezug auf das Serien-Universum bin ich der Meinung, dass sowohl S1 als auch S2 besser als S3 sind. Fargo ist allerdings schon grundsätzlich so gut, dass selbst die drittbeste Staffel (von dreien) noch immer für den achten Platz in meinem Jahresranking reicht. Dies liegt (wie bei Fargo gewohnt) einmal mehr am ausgezeichneten Schauspielerensemble. Angeführt wird dieses von Carrie Coon, sie wurde in ihrem Durchbruchsjahr für ihre Rolle auch für einen Emmy nominiert (und von den Globes übergangen). Dafür rittern Ewan McGregor (der ein ungleiches Zwilligsbrüderpaar spielt) und David Thewlis am kommenden Sonntag jeweils um diesen Preis. Letzterer spielt den unappetitlichsten Bösewicht seit Jabba The Hutt und ist damit der legitime Nachfolger des von Billy Bob Thornton in Staffel 1 gespielten Charakters Lorne Malvo.
07 – Stranger Things (S2 – 10E // Netflix)

Im Juli 2016 habe ich eine spoilerfreie Review zur ersten Staffel verfasst. Die Erwartungen nach der Brillianz von S1 waren immens und konnten eigentlich nur enttäuscht werden. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Denn nach dem Platz an der Sonne im letzten Jahr konnte heuer auch die zweite Staffel einen Top10-Platz in meinem persönlichen Ranking belegen. Okay, die Story ist relativ ähnlich und stellenweise banal. Doch Stranger Things lebt erneut vom hervorragenden Schauspielerensemble und dem 80er-Jahre-Flair. Neben David Harbour als Chief Hopper (völlig zurecht für einen Golden Globe nominiert) war diesmal auch das Mitwirken von Sean Astin (The Goonies) eine liebevolle Hommage an das Abenteuerkino der 80er-Jahre. Doch im Zentrum des Geschehens sind eindeutig wieder die Kids, deren Ensemble diesmal etwas vergrößert worden ist. Stranger Things wurde aufgrund des kommerziellen Erfolgs mittlerweile auf vier Staffeln verlängert und ist (neben House of Cards) das zentrale Mosaikstein im Katalog der Eigenproduktionen von Netflix.
06 – Taboo (S1 – 8E // BBC & FX / Amazon)

Diese Serie hat im April des heurigen Jahres bereits ein Einzelreview meinerseits erhalten. „Tom Hardy“ sollte für viele bereits reichen, um Interesse zu erwecken. Die im frühen 19. Jahrhundert angesetzte Serie dreht sich um Homosexualität, Inzest, Sklavenhandel, Kannibalismus, Okkult und Kinderprostitution, es ist also für jede(n) etwas dabei. Aufgrund des Erfolgs bei Kritikern und Publikum wurde Taboo bereits um eine zweite Staffel verlängert, welche für 2018 angekündigt ist und einen Schauplatzwechsel (also weg aus dem stinkenden und versifften London) mit sich bringen könnte. Für mehr Details zum Inhalt oder den Schauspielern bitte einfach einen kurzen Blick in mein Review werfen.
05 – The Marvelous Mrs. Maisel (S1 – 10E // Amazon)

Diese Serie, welche seit Ende November 2017 bei Amazon Video abrufbar ist, hat aus meiner Sicht zwei Grundprobleme. Zum einen klingt der Serientitel nicht besonders verlockend (ist aber wenigstens diesmal nicht der deutschen Übersetzung geschuldet) und zum anderen war die Promotion eher bescheiden bis gar nicht vorhanden. Daher muss ich an dieser Stelle word-of-mouth-Marketing betreiben und die Serie als eine der besten Comedies des Jahres betiteln. Zum Inhalt – wir schreiben das Jahr 1958. Miriam Maisel (gespielt von Rachel Brosnahan, am besten bekannt als Rachel Posner in House of Cards) ist die perfekte Mutter und Hausfrau in der Upper West Side. Dann beginnt ihr Ehemann jedoch ein Techtelmechtel mit der naiven Sekretärin und trennt sich infolgedessen von seiner Ehefrau. Aus Zufall stolpert sie angetrunken in einen Comedy Club und findet heraus, dass ihr großes Talent nicht als Hausfrau sondern auf der Stand-Up-Showbühne liegt.
Wer auf Brachialhumor steht, wird bei TMMM enttäuscht werden. Denn diese Serie lebt von ihrem warmherzigen und intelligenten Humor, ist in den Nebenrollen ausgezeichnet besetzt (u.a. Alex Borstein, Tony Shalhoub, Kevin Pollak) und wurde heuer auch für zwei Golden Globes (Best Comedy, Best Actress in a Comedy Series) nominiert.
04 – Mindhunter (S1 – 10E // Netflix)

Wenn David Fincher (u.a. Sieben, Fight Club, The Social Network) etwas schreibt oder produziert, dann hat dieses Machwerk automatisch meine höchste Aufmerksamkeit. Mindhunter versetzt den Zuseher in die USA der 1970er Jahre, in denen forensische Psychologie bei der Aufklärung von Straftaten noch nicht erfunden bzw. in Verwendung war. Jonathan Groff spielt einen rebellischen FBI-Agenten, der aufgrund von Gesprächen mit seiner Freundin (die Psychologie studiert) und einer anerkannten Psychologin jedoch neue Wege bei der Aufklärung und Verhinderung von Straftaten beschreiten will. Zu diesem Zweck bereist er gemeinsam mit seinem zurückhaltenden Kollegen diverse Hochsicherheitsgefängnisse um bekannte Mörder nach ihren Motiven zu befragen. Die Serie beruht auf den Büchern des realen FBI-Fallanalytikers John E. Douglas und lebt von der düsteren Grundstimmung und den grausamen Bildern, die sich aufgrund der Beschreibungen der Straftaten durch die Killer im Kopf des Zusehers manifestieren. Aufgrund des kritischen Erfolges wurde die zweite Staffel bereits abgesegnet.
03 – Mr. Robot (S3 – 10E // USA / Amazon)

War die erste Staffel noch meine Lieblingsserie des Jahres 2015, so verlor das Hacker-Drama aus der Feder von Sam Esmail letztes Jahr sechs Plätze. Heuer findet sich die dritte (und anders als erwartet nicht letzte) Staffel auf dem 3. Platz wieder. Dies liegt vor allem daran, dass die Storyline wieder nachvollziehbarer und realistischer wurde und nicht übertrieben auf einer Metaebene dahinschwimmt wie die vorherige Staffel. Einige filmschaffende Experimente (z.B. eine Folge ohne jeglichen Schnitt) wirkten nicht gekünstelt, sondern fügten sich nahtlos in den Spannungsbogen rund um den von Rami Malek (der kommendes Jahr als Freddy Mercury im Queen-Biopic Bohemian Rhapsody agieren wird) gespielten schizophrenen Hauptchrakter ein. Die Fronten sind abgesteckt, die Motive der Antagonisten sind bekannt, daher wird die vierte (und aller Voraussicht nach wirklich letzte) Staffel wohl dazu verwendet werden, die Story (zumindest für die meisten) zufriedenstellend beenden zu können.
02 – The Leftovers (S3 – 8E // HBO / sky)

Die dritte und letzte Staffel von The Leftovers bildete einen würdigen Abschluss für eine Serie, welche mir lange im Gedächtnis bleiben wird. Nach der ersten Staffel bereits von vielen Zusehern und Kritikern (und auch mir) abgeschrieben, schaffte das Mystery-Drama aus der Feder von Damon Lindelof (Lost) nach dem Buch von Tom Perrotta erst mit der zweiten Staffel den Turnaround. Die dritte Staffel konnte dies jedoch nochmal toppen. The Leftovers hat seine Zuseher ständig ratlos, unaufgeklärt und verunsichert zurückgelassen, beging aber nicht den Kardinalfehler von Lost – denn am Ende wurden die wichtigsten Mysterien aufgeklärt und es kommt zu einem ultimativen Moment zwischen den von Carrie Coon und Justin Theroux gespielten Hauptcharakteren, welche über die gesamte letzte Staffel hinweg absolut brillierten.
01 – Halt And Catch Fire (S4 – 10E // AMC / Amazon)

Wie bereits Mitte Oktober 2017 angekündigt, ist die vierte und letzte Staffel von Halt And Catch Fire meine Serie des Jahres. Daran hat sich auch während der letzten zweieinhalb Monate nichts geändert. Dieses, dem breiten Publikum leider nahezu unbekannte Kleinod der Serienlandschaft hat es in vielen US-amerikanischen Reviews ebenfalls auf die #1 der Jahresbestenlisten geschafft. Wer mehr über den Inhalt erfahren will, kann dies in meinem Blog nachholen. Hier will ich nur mehr anmerken, dass keine Serie die ich 2017 gesehen habe, auch nur annähernd so emotional wie die letzten vier Folgen dieser Serie war. HCF hat sich im Laufe der vier Staffeln nie primär um den technologischen Fortschritt zwischen 1983 und 1995 gedreht, sondern wie die menschlichen Beziehungen der Protagonisten durch diesen Fortschritt beeinflusst und (dauerhaft) verändert werden. Auch das Ende dieser Serie war absolut perfekt und lässt keine Fragen offen.
Best of 2017: Filme
Ein kurzer Rückblick auf die vergangenen Jahre: nach Arrival (2016), Inside Out (2015), Whiplash (2014) und Drive (2013) küre ich zum bereits fünften Mal in meinem Blog meine persönlichen zehn Lieblingsfilme des Jahres. Dabei inkludiere ich wie immer alle Filme, welche ich zwischen 1.1. und 27.12. gesehen habe, egal ob diese schon 2016 in den Kinos angelaufen sind. Vier der zehn nachfolgenden Filme stammen aus der Awards Season 2016, die restlichen sechs Filme kämpfen in der heurigen Awards Season (mal mehr, mal weniger) um die begehrten Globes, SAGs und Oscars.
Noch eine kurze Erklärung bevor ich in medias res gehe: ein Klick auf den Filmtitel führt zur jeweiligen IMDb-Seite, der Name in Klammer ist der Regisseur des Films, der erste Zahlenwert die aktuelle IMDb-Bewertung (von 0.0 bis 10.0) und der zweite Zahlenwert der aktuelle Metascore (Kritikerwert der sich von 0-100 erstreckt).
10. Wind River (Taylor Sheridan | 7.8 – 73)
Wie schon „Sicario“ und „Hell Or High Water“ lebt auch Wind River vom starken Drehbuch von Taylor Sheridan, der diesmal auch selber Regie führte. Jeremy Renner spielt einen orts- und vor allem schneekundigen Angestellten des Amts für Jagd & Fischerei im tiefwinterlichen Wyoming, der zusammen mit einer jungen FBI-Agentin (Elizabeth Olsen, die jüngere Schwester der Olsen-Zwillinge) einen mysteriösen Mord an einer jungen Frau aufklären soll. Die Kälte die sich durch den gesamten Film zieht, wird durch viele atmosphärische Einstellungen quasi spürbar und wirkt unangenehm. Wind River ist ein geradliniger, harter Thriller im Stile von Sam Peckinpah. Der Film läuft in unseren Kinos erst im Februar 2018 (über ein Jahr nach dem US-Debüt) an und war im deutschsprachigen Raum bisher nur in Previews zu sehen, ist aber für mich ein absoluter Geheimtipp für einen kurzweiligen Kinoabend im heurigen Winter.

9. Nocturnal Animals (Tom Ford | 7.5 – 67)
Nocturnal Animals ist Film der von seiner düsteren Atmosphäre lebt. Ein Film mit einem fiktiven und einem realen Handlungsstrang, welche scheinbar immer stärker ineinander verfließen. Ein Film der uns lehrt, dass Amy Adams und Isla Fisher nicht die gleiche Person sind, obwohl sie die hier gleiche Person spielen. Ein Film der wieder einmal beweist, dass Jake Gyllenhaal einer der besten Schauspieler unserer Generation ist. Die Schau wird ihm jedoch diesmal von den Nebendarstellern gestohlen, zum einen von Aaron Taylor Johnson, der für seine Rolle also psychopathischer Bösewicht auch den Golden Globe gewinnen konnte, und zum anderen von Michael Shannon, der sowieso in jedem Film großartig ist. Die Anfangsszene ist verstörend und daher gibt es von meiner Seite auch einen Hinweis: die gehört wirklich zum Film, obwohl man es kaum glauben kann. Nach seinem Debüt „A Single Man“ ist auch der zweite Film von Modeikone Tom Ford absolut sehenswert und lässt auf viele weitere Nachfolgefilme hoffen.

8. Logan (James Mangold | 8.2 – 77)
Vermutlich der mit Abstand brutalste und gleichzeitig nachhaltigste Film aus dem X-Men-Universum. Der Soundtrack von Cliff Martinez (u.a. „Drive“) ist düster und untermalt die endnahe Stimmung des Filmes, der sich auch leichte Chancen auf die Awards-Season ausrechnen durfte, jedoch durch den frühen Kinostart und eines No-Shows bei SAGs und Globes nun chancenlos ist. Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass sowohl Patrick Stewart als auch Hugh Jackman in ihren jeweiligen Abschiedsvorstellungen aus der X-Men-Reihe ihre jeweils besten schauspielerischen Leistungen abliefern, welche von James Mangold (u.a. Walk The Line, Identity) atmosphärisch und choreographisch beeindruckend auf die Leinwand gebracht wurde.

7. The Big Sick (Michael Showalter | 7.7 – 86)
Der Film, der sich als letzter in meine heurige Top10 einreihen konnte. Ein weiterer Überraschungshit, basierend auf der (wahren) Lebensgeschichte des pakistanisch-amerkanischen Schauspielers und Stand-Up-Comedians Kumail Nanjiani, der den meisten aus seiner Rolle in der HBO-Serie Silicon Valley bekannt sein wird. The Big Sick ist mit Holly Hunter und Ray Romano sowie Bollywood-Superstar Anupam Kher in den Nebenrollen schauspielerisch exzellent besetzt, Zoe Kazan (die Enkelin von Hollywood-Regie-Legende Elia Kazan) mimt die heutige Ehefrau von Nanjiani namens Emily Gordon, welche auch das Drehbuch zusammen mit ihrem Mann schrieb. Ein zeitgenössischer Film über Culture Clashes (North Carolina vs. Pakistan am Schauplatz Chicago) und die sonderbaren Wege der Liebe. The Big Sick trifft immer den richtigen Ton, ist niemals schmalzig oder übertrieben und überzeugt durch das bereits erwähnte homogene Schauspielerensemble.

6. Hidden Figures (Theodore Melfi | 7.8 – 74)
Diesen Film sah ich zum ersten Mal im Flugzeug von Amsterdam nach San Francisco und es waren die wohl kurzweiligsten zwei Stunden des elfstündigen Flugs. Der Film nach einer wahren Begebenheit erzählt die Geschichte von dunkelhäutigen Mathematikerinnen bei der NASA in den 60er-Jahren. Also in einer Zeit in der es noch rassengetrennte Toiletten gab und die professionelle Meinung von Frauen größtenteils ignoriert wurde. Die Schauspielerriege (angeführt von Taraji P. Henson, Octavia Spencer und Kevin Costner in seiner besten Rolle seit Jahren) in Hidden Figures agiert überragend und erzeugt dadurch einen hoch emotionalen und motivierenden Film im Bezug auf Gleichberechtigung, der bis in die Nebenrollen prominent besetzt ist (u.a. Jim Parsons oder Mahershala Ali). Bei den SAG-Awards 2017 konnte er sogar überraschenderweise den Actor für das beste Ensemble gewinnen und sich gegen die favorisierten Moonlight und La La Land durchsetzen.

5. La La Land (Damien Chazelle | 8.1 – 93)
Ich bin kein Freund von Musicals. Um nur einige Beispiele zu nennen – ich habe Chicago nie gesehen, ich habe Nine nie gesehen, ich habe Dreamgirls nie gesehen. Doch La La Land hat es mir heuer absolut angetan. Dies mag am meisterhaften Soundtrack liegen (Oscars für beste Filmmusik & besten Filmsong) aber auch an der (Leinwand-)Chemie zwischen Emma Stone (ebenfalls mit dem Oscar ausgezeichnet) und Ryan Gosling. Oder dem Fakt, dass ich viele der Originalschauplätze im Zuge meiner Kalifornien-Reise im Juni auch selber besuchen konnte, wie etwa das Griffith-Observatorium, welches seit La La Land Rekordbesuche verzeichnen kann. In die Geschichte wird der Film dennoch wegen des Fauxpas von Warren Beatty und Faye Dunaway bei den Oscars eingehen, als der Film für wenige Minuten (fälschlicherweise) als bester Film verkündet wurde. Für mich die bemerkenswerteste Szene ist übrigens das Kennenlernen der beiden in den Hollywood Hills, welches ganz ohne Schnitt auskommt und daher eine perfekte vierminütige Choreographie beider Schauspieler (inkl. Gesang und Tanz) verlangte.
4. Baby Driver (Edgar Wright | 7.7 – 86)
Was wohl vor einem Jahr noch niemand geahnt hätte – Baby Driver könnte als letzter Film mit Kevin Spacey in den Credits in die Filmgeschichte eingehen. Aus marketingtechnischer Sicht kam der Film jedoch glücklicherweise bereits vor den diversen Anschuldigungen gegen den zweifachen Oscarpreisträger in unsere Kinos. Aber zurück zum Film: dank eines exzellenten Soundtracks (von Regisseur Edgar Wright mit ausgewählt) und der Nonstop-Action konnte sich Baby Driver im heurigen Sommer als einer der großen Hits des Jahres positionieren, der gleichermaßen gut bei Publikum und Kritikern ankam. Anders als in vergleichbaren Heist-Filmen wie „Gone in 60 Seconds“ oder im Remake von „The Italian Job“ sind nämlich auch die Charaktere klar gezeichnet und müssen daher nicht dem Auto (bzw. den Autos) die Show überlassen. Unnützes Wissen: den Subaru WXR aus dem Film besitzt mittlerweile Ansel Elgort, der die Produzenten monatelang anbettelte, bis sie ihm das Auto letztendlich zum Geburtstag überließen.
3. Get Out (Jordan Peele | 7.7 – 84)
Get Out ist DER Überraschungshit des heurigen Jahres. Und dies völlig zurecht. Jordan Peeles Debüt als Regisseur konnte bei einem für Hollywoodverhältnisse wirklich winzigen Budget von 5 Millionen bis dato mehr als 250 Millionen weltweit einspielen und ist damit gemessen an diesem Verhältnis der kommerziell erfolgreichste Film des Jahres. Ein Horrorthriller mit absolut irren Wendungen und mit Spannung bis zum Schluss, der in Österreich leider brutal schlecht vermarktet wurde und daher kaum Zuschauer in die Kinos locken konnte. Daniel Kaluuya wurde ebenso wie der Film für einen Golden Globe nominiert. Bei den Oscars bestehen die besten Chancen allerdings für das beste Originaldrehbuch (ebenfalls von Jordan Peele, den man bei uns wenig bis gar nicht kennt, in den USA als Teil von Key & Peele jedoch breite Bekanntheit genießt).

2. Dunkirk (Christopher Nolan | 8.2 – 94)
Zum ersten Mal seit Insomnia im Jahre 2002 wandte sich Christopher Nolan wieder von Sci-Fi-Epen ab und brachte im Sommer mit Dunkirk den wohl besten Kriegsfilm seit Saving Private Ryan in die Kinos. Obwohl die Schauspielerriege sehr homogen ausgewählt wurde (und im Vergleich zu Nolans letzten Filmen mit quasi keinen Weltstars besetzt wurde), erhielt der Film dennoch keine Nominierung für das Beste Ensemble bei den SAG-Awards. Daher dürften die Chancen auf den besten Film den Oscars nahezu Geschichte sein, der letzte Film der diese spezielle Nominierung nicht erhielt aber dennoch den Oscar abräumen konnte, war Braveheart vor über 20 Jahren. Bei Dunkirk ist vor allem die Kameraführung von Hoyte Van Hoytesma explizit zu erwähnen, die allerdings durch Roger Deakins‘ Arbeit bei Blade Runner 2049 leer ausgehen dürfte. Ich behaupte, dass Dunkirk in jedem anderen Jahr diesen Oscar für die Beste Kamera mühelos abgeräumt hätte. Abgesehen davon wird der Film in den technischen Kategorien wie Schnitt, Tonschnitt oder Toneffekte punkten und auch der Score von Hans Zimmer hat gute Chancen, wenn man den Experten von Gold Derby bzw. den Wettbüros vertraut.

1. Manchester By The Sea (Kenneth Lonergan | 7.9 – 96)
Bei der heurigen Oscarverleihung mit zwei Statuetten ausgezeichnet (für das beste Drehbuch von Kenneth Lonergan und die Performance von Casey Affleck als bester Schauspieler), ist Manchester By The Sea wohl einer der deprimierendsten Filme aller Zeiten. Ein Film, der dir unbarmherzig in den Magen tritt wenn du gefühlsmäßig ohnehin schon am Boden liegst. Neben der preisgekrönten Darstellung von Casey Affleck ist auch die schauspielerische Leistung von Lucas Hedges hervorzuheben, der heuer gleich mit zwei Filmen (Lady Bird bzw. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) im Rennen um den Oscar für den besten Film beteiligt ist. Mich hat dieser Film vor allem aufgrund des Drehbuchs und der Story beeindruckt, dennoch habe ich es bis heute nicht über das Herz gebracht, ihn mir ein zweites Mal anzusehen (ähnlich die Situation auch wie bei Pan’s Labyrinth).

Freizeitbad Ried: Das teuerste Bad Oberösterreichs
Nach knapp viereinhalb Jahren hallenbadloser Zeit wird am 8. Februar 2018 (voraussichtlich) das langerwartete neue Freizeitbad in der Volksfeststraße in Ried im Innkreis öffnen. In der Gemeinderatssitzung vom 17. Oktober 2017 wurden einstimmig die Öffnungszeiten und die Tarifstaffel beschlossen.

Dabei heißt es im offiziellen Protokoll dieser Sitzung:
Herr Eichhorn erläutert in der Sitzung des Stadtrates vom 5. Oktober 2017 die Tarife für das Freizeitbad. Nach eingehender Diskussion wurden nachstehend angeführte Tarife für das Freizeitbad dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgeschlagen. Eine Beschlussfassung ist bereits jetzt erforderlich, da der Vorverkauf der Geldwertkarten und Gutscheine noch vor Weihnachten anlaufen soll. Die Eröffnung ist im Februar geplant.
Viele lokale Medien wie etwa das TIPS (im Artikel von Walter Horn vom 24. Oktober 2017) wurden ob dieses Beschlusses stutzig. Grund dafür: das Freizeitbad Ried bietet keine gewöhnlichen 10er-Blöcke für Bad und Sauna an. Noch seltsamer: es gibt zudem keinerlei Monats-, Saison- oder Jahreskarten.
Das Preisniveau für Kurzzeitkarten (60-120 Minuten) und Tageskarten für Bad / oder Sauna / oder Bad und Sauna ist oberösterreichweit unangefochten an der Spitze. Allerdings im negativen Sinne. Egal ob städtischer Raum (u.a. Linz, Wels, Steyr) oder ländlicher Raum (u.a. Freistadt, Haibach, Spital am Pyhrn) – kein anderes Hallen- bzw. Freizeitbad verlangt derartig exorbitant hohe Tarife von seinen Kunden.
Eine Tabelle mit den gesammelten Preisen für Kurztarif Bad, Tageskarte Bad, Jahreskarte Bad, Tageskarte Sauna sowie Jahreskarte Sauna kann hier heruntergeladen werden. Die Preise wurden den jeweiligen Webseiten entnommen, sind auf dem Stand des 22. November 2017 und natürlich ohne Gewähr. Ich erhebe zudem keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Mit dem Tageskartenpreis von € 9,- für das Rieder Freizeitbad kann man beispielsweise zwei volle Tage in irgendein Bad in Linz oder Traun oder Vöcklamarkt oder Kirchdorf an der Krems gehen. Wenn man 60-90 Minuten schwimmen gehen will, zahlt man in Ried € 6,-. Dafür kann man in Traun, Pregarten oder Kirchdorf an zwei Tagen für diese Dauer seine Bahnen ziehen.
Richtig interessant wird es jedoch erst bei konkreten Rechenbeispielen (welche ich stets auf Erwachsene beziehe):
- Wer einmal pro Woche für eine Stunde schwimmen gehen will, zahlt in Ried € 312,- (bei Verwendung von Bonuskarten reduziert sich der Betrag auf € 259.50,-). Mit Ausnahme von Linz (€ 392,- – dafür kann man dort allerdings in jedes Bad der Linz AG gehen) bekommt man für diese Summe in JEDEM oberösterreichischen Hallenbad eine Jahreskarte.
- Wer 100x pro Jahr schwimmen geht, zahlt in Ried schon € 600.00,- (bzw. wiederum nach Abzug der Bonuswerte € 490,-). Dafür bekommt man in den meisten oberösterreichischen Hallenbädern bereits eine Jahreskarte für sich und seine/n PartnerIn.
- Wer einmal pro Woche in die Sauna geht, muss in Ried für den Abendtarif stolze € 15,- berappen. Auf das Jahr hochgerechnet sind dies € 780,-. Man ziehe wieder die Bonuswerte ab: € 647.50,- .. in jedem anderen oberösterreichischen Hallenbad mit Sauna bekommt man dafür eine Jahreskarte für die Sauna. In vielen Gemeinden (wie etwa Vöcklamarkt, Losenstein oder Spital an der Pyhrn) bekommt man dafür sogar wiederum eine Jahreskarte für PartnerIn und sich selber.
- Wer 100x pro Jahr in die Sauna will – für dieses Rechenbeispiel wird der Dreistundentarif von € 18.50,- verwendet – kommt bereits auf exorbitante € 1850,-.. Die € 1490,- abzüglich der Bonuswerte sind im Vergleich dazu schon fast ein Schnäppchen. In Linz bekommt man dafür Jahreskarten für drei Personen, in Steyr kann man sogar vier Personen mit einer Jahreskarte ausstatten.
Die Mathematik ist hier relativ klar. So lange keine Jahres- oder Saisonkarten angeboten werden, steigen die anfallenden Kosten linear, je öfter man das Angebot des Hallenbads oder der Sauna in Ried in Anspruch nehmen will. Mit Ausnahme von Braunau, Ebensee und Spital am Pyhrn bieten alle anderen betrachteten oberösterreichischen Bäder jedoch Saisonkarten an. Diese haben aus Betreibersicht eigentlich auch einen finanziellen Anreiz: sie bringen Planungssicherheit und akzeptable Preise führen auch dazu, dass sich viele Menschen eine Jahreskarte leisten obwohl sie das Angebot vielleicht gar nicht regelmäßig in Anspruch nehmen wollen. Analog zu Fitnesscentern.
Meine logische Schlussfolgerung: man setzt ganz stark auf Gelegenheitsbesucher, die sich weder mit Preisen beschäftigen noch regelmäßig in Bad oder Sauna gehen wollen. Erstaunlicherweise erwartet man sich im dritten Betriebsjahr (und nicht wie vorher fälschlicherweise behauptet im ersten Betriebsjahr) aber 115.000 Besucher (315 pro Tag). Im letzten Jahr im alten Hallenbad waren es nur knapp 43.000 Gäste (118 pro Tag). Quelle dafür ist der Artikel von Thomas Streif in den OON am 16. November 2017.
Die Hauptklientel des alten Hallenbads in Ried waren hingegen Hobby- sowie Sportschwimmer und regelmäßige Saunagänger. Es wird sich daher herausstellen, ob diese gewillt sein werden die geforderten Preise zu zahlen oder sich um Alternativen umsehen. Ich bin früher (primär im Winter) ebenfalls regelmäßig 60 bis 90 Minuten schwimmen gegangen, daher interessiert mich diese Thematik (durch meine Heimkehr nach Ried) auch persönlich. Doch bevor ich meinen Artikel abschließe, will ich noch einige Fragen in Richtung der Stadtgemeinde Ried aufwerfen:
Wer hat die Tarife entworfen und warum hat der Gemeinderat (offensichtlich ohne jeglichen landesweiten Vergleich) diesem Entwurf einstimmig (!) zugestimmt?
Wieso bietet man keinerlei Monats-, Saison- oder Jahreskarten sowie 10er-Blöcke für Bad und/oder Sauna an?
Wen genau will man mit diesen Preisen in das Freizeitbad locken? Die Therme Geinberg (€ 35.20,- für eine Tageskarte Bad/Sauna) und das Aquapulco in Bad Schallerbach (€ 35.50,- für die Kombikarte) sind jeweils innerhalb einer halben Stunde mit dem Auto erreichbar. Dort wird allerdings um einiges mehr angeboten.
Was erhofft man sich davon, dass man sich den Ruf als das teuerste Freizeitbad Oberösterreichs (und vermutlich auch Österreichs) einhandeln wird?
Wieso wird das Bad von einem Unternehmen aus der Nähe von München (GMF) betrieben? Ist es wirklich notwendig gewesen, Know-How aus dem Ausland zu Rate zu ziehen oder hätte man hier auch eine österreichische Lösung treffen können?
Wieso wird diese skandalöse Tarifgestaltung von den regionalen Medien nicht in aller Deutlichkeit an den Pranger gestellt?
Die Welt des Andreas Herzog
Für mich als Kind der 80er-Jahre war Andreas Herzog (Jahrgang 1968) in den 90ern ein Fußballgott. Seine Meisterschaft mit Werder Bremen, sein Transfer zum FC Bayern (bzw. damals eher FC Hollywood) in die bayrische Landeshauptstadt. Es gab kein Internet, es gab kein PayTV und so musste man jedes Mal auf ran (oder ranissimo) warten um ihn bei Bremen und Bayern in Aktion zu sehen. Was sich auch meistens rentierte.
Aber vor allem sein Tor gegen die Schweden. DIESES Tor gegen die Schweden (die Schweeeden). Eines der wichtigsten und spektakulärsten Tore der österreichischen Länderspielgeschichte. Herzog ist mit 103 Länderspielen österreichischer Rekordnationalspieler und neben Sindelar, Prohaska und Krankl et al. mit Sicherheit auch einer der besten österreichischen Fußballer aller Zeiten.
So aufregend und bemerkenswert seine aktive Karriere verlief, so seltsam verläuft seine Trainerkarriere. Nach einem Co-Trainerjob unter seinem alten Mentor Josef Hickersberger (27 Spiele) und seinem Nachfolger Karel Brückner (7 Spiele) übernahm er im März 2009 die österreichische U21-Nationalmannschaft. 13 Siege stehen 6 Unentschieden und 9 Niederlagen gegenüber. Dabei qualifizierte man sich für kein größeres Turnier.
Im Jänner 2012 kam er dank seines Bayern- bzw. LA Galaxy-Spezis Jürgen Klinsmann als Co-Trainer und U23-Trainer bei der US-amerikanischen Nationalmannschaft unter. Als Verantwortlicher der U23 setzte es insgesamt mehr Niederlagen (6) als Siege (5). Seit er im Jänner 2005 seine aktive Karriere beendet hat (was immerhin bereits mehr als 12 Jahre zurückliegt), hat man das Gefühl, dass er quasi im Monatstakt auf einen Trainerjob bei Rapid, der österreichischen Nationalmannschaft (und wohl auch bei Werder Bremen) hofft und wartet.

Vorgestern wurde Franco Foda als neuer Teamchef bestätigt. Herzog gab sich als schlechter Verlierer. Die APA zitierte ihn wie folgt:
Herzog ärgere sich, wenn er liest, er habe als Trainer nicht genügend Erfahrung. „Diese Trottelaussagen kann ich ehrlich gesagt nicht mehr hören. Ich habe über hundert internationale Spiele als Cheftrainer gemacht. So viele Spiele haben viele Trainer nicht mal in der Bundesliga hinter sich. Ich habe so viel erlebt, ich könnte sofort eine Mannschaft übernehmen“
Quick fact: er hat keine 100 internationale Spiele als Cheftrainer gemacht. 28 Spiele mit der österreichischen U21, 11 Spiele mit der U23 der USA und 1 Spiel als interimistischer Trainer der USA ergeben 40 Spiele als Cheftrainer, davon 39 im Nachwuchsbereich. Als Quelle hierfür dient transfermarkt.at. Dies ist von 100 so weit entfernt wie Österreich heuer von einer WM-Qualifikation war.
Gegenüber sky gab er heute auch noch folgendes Interview:
„Der Herr Windtner braucht sich bei mir nicht mehr melden, wenn irgendwas ist“, erteilte Herzog bei Sky einem zukünftigen Engagement eine Absage. „Verarschen kann ich mich selbst. Immer nur in der Verlosung dabei zu sein, aber nie wirklich ein ernsthafter Kandidat – das wird schön langsam fad.“ Herzog stößt sich vor allem daran, dass ihm ohne wirkliche Begründung abgesagt wurde.
Folgender Denkanstoß: die aktuell erfolgreichsten österreichischen Trainer sind wohl Ralph Hasenhüttl, Peter Stöger und Adi Hütter. Das Trainerranking von Laola1 sieht dies genau so.
Ralph Hasenhüttl (Jahrgang 1967) hat nach dem Ende seiner aktiven Karriere als Co-Trainer unter Werner Lorant bei Unterhaching begonnen und wurde anschließend bei selbigem Verein Cheftrainer in der Regionalliga Bayern. Mit Aalen stieg er in die 2. Bundesliga auf und konnte dort entgegen sämtlicher Expertenmeinungen die Klasse halten. Anschließend führte er Ingolstadt in die Bundesliga und hielt dort ebenfalls (souverän) die Klasse, bevor er zu RB Leipzig wechselte und sich seit heuer Champions League Trainer nennen darf.
Peter Stöger (Jahrgang 1966) mühte sich nach seiner Anstellung als Sportdirektor bei der Wiener Austria mit der Vienna und dem GAK in diversen Regionalliga umher, bevor er über den Umweg Wiener Neustadt zur Austria zurückkehren konnte. Dort wurde er Meister, wechselte aber trotz der Chance in der Champions League spielen zu können trotzdem zum FC Köln in die zweite deutsche Bundesliga, weil er dem Effzeh ein großes (größeres) Potential attestierte. Nach einem souveränen Aufstieg darf sich der kölsche Wenger heuer auch Europa League Trainer nennen. Die dramatischen Misserfolge der aktuellen Saison lassen wir an dieser Stelle mal außen vor, nachdem es die letzten Jahre eigentlich nur steil bergauf ging.

Adi Hütter (Jahrgang 1970) startete nach dem Ende seiner aktiven Karriere als Co-Trainer von Michael Streiter bzw. Lars Söndergaard bei den RB Juniors, bevor er ebendiese als Cheftrainer übernehmen konnte. Nach einer Zwischenstation in Altach stieg er mit Grödig in die Bundesliga auf und spielte anschließend eine überragende Saison in der höchsten Spielklasse, aufgrund derer er von RB Salzburg als neuer Cheftrainer auserkoren wurde. Nach einem ungefährdeten Meistertitel trennte er sich aufgrund seiner Prinzipien jedoch von den Salzburger Bullen und wechselte zu YB Bern, mit denen er derzeit die Schweizer Liga anführt und auch in der Europa League aktiv ist, zu Saisonbeginn nur knapp an der Qualifikation zur Champions League scheiterte.
Alle drei Trainer haben in der Regionalliga angefangen, sind konsequent ihren Weg gegangen, haben manchmal auch einen Schritt zurück gemacht um dann später zwei Schritte nach vorne machen zu können. Die drei genannten Beispiele und Herzog wurden innerhalb von vier Jahren geboren und dennoch klafft eine massive Erfahrungslücke zwischen Herzog und dem Rest.
Ich habe selber nie eine (Fußball-)Mannschaft trainiert, wage trotzdem zu behaupten: als Co-Trainer hat man nicht annähernd die gleiche Verantwortung wie ein Cheftrainer. Den Erfolg im Gold Cup kann er sich im Grunde nur in seine Vita schreiben, weil Jürgen Klinsmann für dieses Spiel gesperrt war. Es ist aus meiner Sicht auch stark zu bezweifeln, dass Herzog die Mannschaft für das Finale gegen die Fußballmacht aus Panama (1:0) auf- oder eingestellt hat. Als Cheftrainer der U23-Nationalmannschaft hat Herzog die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro verpasst.
Wieso um alles in der Welt hat Herzog nun also die Chuzpe, beleidigt zu sein dass er den Job des Nationaltrainers (wieder!) nicht bekommen hat? Wohl nur weil er nach der Bestellung seines langjährigen Vereins- und Nationalteamkollegen Peter Schöttel zum Sportdirektor des ÖFB wohl ziemlich sicher mit der finalen Krönung als Teamchef gerechnet hatte. Der enorme mediale Backlash nach der Trennung von Ruttensteiner hat in den Gremien des ÖFB wohl jedoch dafür gesorgt, dass man sich in weiterer Folge um Schadensbegrenzung gegenüber sämtlichen Gerüchten der Verhaberung bemüht hat und deswegen die Kompromisslösung Franco Foda präsentiert hat.

Eben dieser Franco Foda (Jahrgang 1966) mühte sich viele Jahre als Co-Trainer und Cheftrainer der Sturm Amateure herum, bevor er 2006 den Cheftrainerposten in sehr schwierigen Zeiten übernehmen durfte und die Mannschaft fünf Jahre später zur österreichischen Meisterschaft führte. Nach einem knapp einjährigen Gastspiel in Kaiserslautern (er scheiterte in der Relegation an Hoffenheim) wechselte Foda nach Graz zurück und führt derzeit mit seiner Mannschaft verdient die tipico Bundesliga an. Verglichen mit seinen drei vorher genannten Kollegen verfügt er objektiv gesehen über die wenigste internationale Erfahrung, dennoch kennt er unsere Bundesliga in- und auswendig und war nun seit 2006 (mit einer Pause von wenigen Monaten) quasi durchgehend als Cheftrainer im Erwachsenenfußball aktiv.
Auch wenn die unglückliche Pressekonferenz des ÖFB deutlich verraten hat, dass Foda nicht die erste (oder zweite, oder dritte) Wahl war (das waren wohl Stöger, Hütter, Kovac und Weinzierl), so ist der Deutsche aus dem Pool der drei „Endkandidaten“ (nebst Fink und Herzog) allerdings doch ein verdienter „Sieger“.
Für Andreas Herzog wäre die beste Vorgehensweise, wenn er jetzt nicht weiter durch kindisch-beleidigte Interviews auffallen würde sondern sich selber bei der Nase nimmt und einen bodenständigen Trainerjob in der skyGo Erste Liga oder tipico Bundesliga antritt. Dort kann er seinen Kritikern durch Erfolge beweisen, dass er auch den Cheftrainer bei einer Nicht-Nachwuchsauswahl kann. Wenn er dazu fähig ist, sollte nach wenigen Jahren auch ein Posten als Cheftrainer bei Rapid im Bereich des Möglichen liegen. Und in nicht allzu ferner Zukunft ist Leo Windtner auch nicht mehr ÖFB-Präsident. Und dann werden auch die Karten um den österreichischen Nationaltrainer wieder neu gemischt.