Gestern mittags habe ich an dieser Stelle noch davon geschrieben, dass ein Trainerwechsel bei der SV Ried aufgrund der angespannten Lage wohl unausweichlich sein würde. Wie sooft im modernen Fußball haben sich die Ereignisse dann am gestrigen Nachmittag sprichwörtlich überschlagen. Chefcoach Helgi Kolvidsson wurde nach einem langen Gespräch mit Manager Reiter vom Dienst freigestellt. Der erfolglose (aber auch unglückliche) Isländer hatte es während der letzten Wochen nicht geschafft, Stabilität in die Defensive zu bringen oder generell einen erkennbaren Fortschritt am Platz erkennen zu lassen.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass die (vereinzelten) persönlichen Beschimpfungen und Beleidigungen vom Samstagsspiel in der Südstadt in keiner Weise angebracht waren. Kolvidsson mag zwar als Trainer für den zwischenzeitlichen letzten Tabellenplatz verantwortlich gewesen sein, man darf allerdings nicht vergessen, dass er vor allem auch ein (Familien-)Mensch ist, der mit Sicherheit alles nur Erdenkliche für die SV Ried gegeben hat und deswegen wohl mit sich selber am unzufriedensten gewesen ist. Wie man am engagierten Facebook-Statement seiner Tochter Anna erkennen konnte, steht seine Familie zu 100% hinter ihm, was für den ehemaligen Coach von Wiener Neustadt wohl vor allem in den kommenden schwierigen Wochen von großer Wichtigkeit sein wird.
Manager Reiter sprach gestern im Telefonat bei Talk & Tore (#skyTuT) von (s)einer folgenschweren Fehlentscheidung, dass er Kolvidsson von Beginn weg keinen (vereins-)erfahrenen Co-Trainer zur Seite gestellt hatte, der ihm den Start beim neuen Verein hätte erleichtern können. Thomas Sageder ist Sportwissenschaftler, hat allerdings als Co-Trainer mit nur 31 Jahren noch kaum Erfahrung im Profibereich. In der Vergangenheit gab es mit Gerhard Schweitzer, Helmut Kronjäger oder Alfred Tatar stets erfahrene Herrschaften auf dieser Position.
Viele (ich inkludiere mich hierbei selber) hatten mit Gerhard Schweitzer (in seiner fünften Regentschaft) als Interimstrainer (bis zum Jahresende oder gar bis zum Saisonende) gerechnet, nur wenige hatten jedoch ein Comeback der Innviertler Lichtgestalt Paul Gludovatz auf der Rechnung. Durch den Cupsieg 2011, die beiden Herbstmeistertitel 10/11 und 11/12, den Titel des Winterkönigs 10/11 und die vielen wahrhaft fantastischen Leistungen gegen die Topteams der Bundesliga (u.a. 3-0 gegen RB Salzburg, 3-0 gegen Rapid) erreicht der Ehrenbürger der Stadtgemeinde Ried im Innkreis ein Beliebtheitslevel unter den Rieder Fans, welches wohl nicht einmal Kim Jong-il in Nordkorea erreicht.
Der alte Schilfschneider, Winzer, Taktikfuchs und AMS-Trainer (die Auflistung an Spitznamen kann noch beliebig fortgesetzt werden) ist vor allem auch der von mir gestern vehement geforderte Pädagoge. Zum aktuellen Zeitpunkt brauchen die verunsicherten Spieler nämlich vor allem Einzelgespräche mit einer Respektsperson. Außerdem weiß Gludovatz durch seine jahrzehntelange Erfahrung im Jugendbereich auch, wie man mit jungen Spielern richtig umgeht und deren angeschlagene Psychen wieder aufbauen kann.
Wer je eine Trainingseinheit mit dem Duo Gludovatz/Schweitzer beobachtet hat, der weiß, dass der Burgenländer dort mehrheitlich die Rolle des Beobachters übernimmt. Taktische Anweisungen und Trainingsübungen kommen von Gerhard Schweitzer, der vor mittlerweile sieben Jahren auch das vielzitierte 3-3-3-1 System eingeführt hatte, welches der ehemalige Rapid-Coach Peter Pacult vermutlich noch immer nicht ganzheitlich durchschaut hat. Weil die Aufgaben unter dem eingespielten Gespann klipp und klar verteilt sind, gibt es auch keine Auffassungsunterschiede oder Reibereien.

Eine Aufbruchsstimmung ist schon jetzt erkennbar. Ich habe seit gestern mit vielen Personen über die Bestellung von Gludovatz gesprochen, die Befürwortung hinsichtlich dieser Entscheidung fällt mit 100% einstimmig aus. Diese Zustimmung, gepaart mit der aktuellen Situation, gibt dem Trainerteam die notwendige Rückendeckung gegenüber Vorstand, Sponsoren und Fans, auch wenn es in den kommenden Wochen nicht schnell nach Wunsch laufen sollte. Bei keiner anderen Konstellation (Heinz Hochhauser mal ausgenommen) wäre eine derartige Rückendeckung vorstellbar. Vor allem sind viele davon überzeugt, dass das wahrgenommen lasche Verhalten der Spieler auf (und auch neben) dem Platz ein baldiges Ende haben wird. Denn Mannschaften von Paul Gludovatz laufen immer mehr als der Gegner.
Morgen wird Paul Gludovatz bereits seine erste Trainingseinheit leiten, anschließend wird der 69-jährige Eberauer als neuer Cheftrainer offiziell präsentiert werden. Bei den OON wird auch ein vormittäglicher Liveticker direkt aus den heiligen Hallen der Keine Sorgen Arena angeboten werden. Übrigens: mit Thomas Gebauer, Thomas Reifeltshammer, Marcel Ziegl und Julian Baumgartner (der damals allerdings zu keinem Einsatz kam) stehen nur mehr vier Spieler im Kader, die bereits zwischen Juli 2008 und März 2012 unter Paul Gludovatz arbeiten durften.
Gepaart mit dem prognostizierten Schönwetter, dem attraktiven Gegner aus Graz-Liebenau und dem Samstagabendtermin erwarte ich mir eine angemessene Zuschauerzahl für das Comeback des früheren U20-Erfolgscoaches. Pikanterweise ist Sturm Graz auch jene Mannschaft, für die Gludovatz im März 2012 das Ruder am Wikingerschiff verlassen hatte, um im schwarzen Graz als Sportdirektor anzuheuern. Der Erfolg blieb ihm damals aus, wohl auch aufgrund der großen Menge an Mitredner und Mitbestimmer in der steirischen Landeshauptstadt. Sollte der Erfolg bei seinem Comeback in Ried nun ebenfalls ausbleiben, kratzt er jedoch an seinem Denkmal. Für das Wohlbefinden aller Anhänger der SV Ried bleibt zu hoffen, dass sich nach Angerschmid und Oliver G. nicht noch eine dritte Vereinsikone innerhalb kürzester Zeit das eigene Andenken demoliert. Aber dazu wird es nicht kommen, denn: in Paul we trust.